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Tödlicher Staub aus dem All

Ich gebe zu, ich bin oft der Letzte, der mitbekommt, wenn es irgendwas Neues aus Hollywood gibt. So habe ich auch erst gestern erfahren, dass einer meiner Lieblingsfilme 2008 neu verfilmt wurde (wenn auch nur fürs Fernsehen): Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All, im Original: The Andromeda Strain. Da ich das Glück habe eine gute Videothek in der Nachbarschaft zu haben, konnte ich mir den Film auf DVD anschauen. Hier der Trailer dazu:




Die Vorlage zum Film lieferte der gleichnamige Roman von Michael Crichton aus dem Jahre 1969. 1969, da war doch was? Genau, die Landung von Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Mond mit Michael Collins als Taxifahrer in der Mondumlaufbahn. Als die drei Mondfahrer am 24 Juli zur Erde zurück kamen, steckte man sie erstmal bis zum 10. August in Quarantäne. Man wusste einfach nicht, ob es so etwas wie Weltraumbakterien, bzw. -viren geben könnte, die sich die beiden ersten Menschen auf dem Mond eingefangen haben könnten. Von dieser Quarantäne-Praxis wurde aber in der Geschichte der Raumfahrt nur bis Apollo 12  Gebrauch gemacht. Das folgende Video zeigt, wie die drei Besatzungsmitglieder von Apollo 11 in Schutzanzügen den Bergungshelikopter verlassen und in den Quarantäne-Wohnwagen einziehen, der auf das Deck des Bergungsschiffes gestellt wurde.



Michael Crichton trifft mit seinem Roman Andromeda zeitnah diese Ängste. Der Mensch begibt sich physisch in eine unbekannte Umgebung: jenseits der Erdatmosphäre. Was wissen wir wirklich über den Weltraum, welche möglichen realen Bedrohungen erwarten uns? In Crichtons Roman stürzt ein Satellit zur Erde, nachdem er wohl eine Kollision mit einem Stück Materie aus dem All hatte. Der Absturz erfolgt über dünn besiedelten Gebiet in den USA. In seiner Folge sterben alle Einwohner einer nahe der Absturzstelle gelegenen Kleinstadt an einer unbekannten Krankheit, alle bis auf einen notorischen Säufer und ein Baby mit Schreikrämpfen. Eine handvoll Wissenschaftler wird in ein geheimes unterirdisches Sicherheitslabor beordert, wo sie den Satelliten mit seiner tötlichen Fracht und die beiden Überlebenden untersuchen.

Das Szenario der Story krankt schon allein daran, dass ein außerirdischer Virus sicherlich nicht einfach eine menschliche Zelle befallen kann. Wir haben Millionen Jahre Koevolution mit unserer mikrobiologischen Umwelt hinter uns, ein ständiges Rüsten und Gegenrüsten zwischen unserem Imunsystem und den Mikroben *). Wie soll da ein außerirdischer Virus infektiös wirken können? Der Alien-Virus würde eine menschliche Zelle wahrscheinlich gar nicht als solche wahrnehmen. Aber egal, was die Verfilmung aus dem Jahre 1971 so toll macht, ist nicht nicht nur das unheimliche Szenario einer unbekannten Bedrohung aus dem All, sondern die radikale Umsetzung des wissenschaftlichen Rätsels. Nach ein bisschen Vorgeplänkel spielt der Film im wesentlichen im Labor. Es passiert kaum etwas anderes, als der Versuch eine Viruserkrankung zu entschlüsseln. Mit Labormäusen, Patienten und den besten Mikroskopen der Zeit. Wie jedes streng geheime amerikanische Hollywood-Hochsicherheitslabor hat natürlich auch dieses eine atomare Selbstzerstörung, die im Falle der Kontamination aktiviert wird. Eine kleine dramaturgische Spitze des Films ist die James-Bond-artige Szene, wie die Wissenschaftler gerade noch in letzter Sekunde die Selbstzerstörung verhindern. Hierfür muss der Held die Sicherheitseinrichtungen des Labors überwinden, was zu einer witzig-ironischen Szene führt. Der Wissenschaftler wird dabei nämlich selbst zur Labormaus des Computers, der diese wie Ungeziefer beschießt. Das sieht graphisch aus wie ein frühes Computerspiel, nur dass hier nicht der menschliche Spieler einen computergenerierten Gegner beschießt, sondern umgekehrt der Computer einen Menschen.

Der komplette Film von 1971 kann auf Youtube angeschaut werden oder momentan auch in dem Player ganz unten auf dieser Seite.

Was ist nun von der Neuverfilmung zu halten? Bis in zahlreiche Details hält sie sich ans Original, allerdings angepasst an die Technik und Sehgewohnheiten von heute. So tickern im Original ständig irgendwelche Fernschreiber, über die streng geheime Berichte über das Projekt Andromeda laufen. In der Neuverfilmung kleben dafür ständig irgendwo Flatscreens an der Wand und poppen Gesprächspartner via Videotelefonie auf. Aber der Sense of Wonder, also das Gefühl es mit einem wissenschaftlichen und bedeutsamen Geheimnis zu tun zu haben, kommt in der Neuverfilmung nicht so recht auf. In der Neuverfilmung stehen eher Verschwörungstheorien und Geheimhaltungsszenarien im Mittelpunkt. Ich halte den Unterschied zwischen diesen beiden Verfilmungen für bedeutsam, denn er zeigt, warum SF heutzutage nicht mehr funktioniert, bzw. Hollywood das nicht mehr hinbekommt.
  • Wie im Film selbstironisch angemerkt wird, verlässt man sich heute auf "schwarze Helikopter und Männer in grün" (Soldaten), sprich: Die Action steht im Vordergrund und schöne Bilder sind wichtiger als Logik und gute Dialoge. 
  • Im Original von 1971 sind die Schauspieler völlig durchschnittlich aussehende Menschen, die glaubhaft Wissenschaftler verkörpern. Heute sehen die Wisenschaftler (alles natürlich Koryphäen auf ihrem Gebiet) aus, als hätten sie gerade Vordiplom gemacht und dabei die meiste Zeit im Fitnessstudio verbracht. 
  • Im Original steht die Lösung des Rätsels "Andromeda" im Vordergrund. In der Neuverfilmung gibt es solch eine Fokusierung nicht: Wir haben eine Agentengeschichte, viel militärisches Rumgeballere, wir haben einen Präsidenten, der "Independence Day"-mäßig die Welt rettet und natürlich die Umweltproblematik, denn wir verdanken das Andormeda-Problem der Ausbeutung der Tiefsee - wer hätte das gedacht?
Wunderbar im Original ist das beklemmende Unbehagen der Wissenschaftler an der alles durchstrukturierten Computertechnik des Hightec-Labors. Michael Crichton spielt alle denkbaren Probleme der Mensch-Maschine-Schnittstelle durch. Vor dem Eintritt in das Labor werden die Wissenschaftler vollkommen den Bedürfnissen des Labors angepasst. Sie erhalten Injektionen, werden desinfiziert und speziell eingekleidet. Der Mensch muss sich der neuen technischen Umgebung anpassen - wie der moderne Mensch der Computerwelt. Das hat auch komische Züge, wenn zum Beispiel einer der Wissenschaftler versucht mit der Computerstimme zu flirten, weil er glaubt, dass sich hinter der schönen Stimme eine echte Person verbirgt.

Die Helden der Neuverfilmung leben aber schon in einer Computerwelt. Statt Beklemmung vermittelt der Film Ästhetik. Gerade die Szene beim Einstieg in das Labor zeigt dies deutlich: Im Original sind die medizinischen Anpassungen der Wissenschaftler unangenehm bis unheimlich, in der Neuverfilmung bleibt davon nur noch die Darstellung einer kräftigen Dusche schöner Leiber, die auch einem Duschgelwerbespot entnommen sein könnte. Diese Selbstverständlichkeit, mit der sich die neuen Helden in der Computerwelt des Labors bewegen, nimmt den Film jeden Reiz und ist zuweilen sogar lächerlich. Es ist nämlich nicht so, dass die neuen Hollywood-Wissenschaftsteenager wirklich forschen würden - die Ärztin untersucht nicht einmal richtig die beiden Überlebenden, während im Original der Arzt noch sagt: "I prefer the personal touch". Die Jungwissenschaftler fragen stattdessen einfach den Computer. Der rechnet eine Weile und schwupps gibt es einen Erfolg nach oben an die Oberfläche zu Mr President zu melden, dann wieder schwarze Hubschrauber und Männer in grünen Uniformen ... Man fragt sich, warum die Wissenschaftler den Computer nicht einfach auffordern: "Computer, löse alle unsere Probleme." Wahrscheinlich müssen wir dafür noch bis zur dritten Verfilmung warten.

Was also bleibt: Die Neuverfilmung empfehle ich gerne. Es ist ein unterhaltsamer Sciencefiction in dem Stil, wie er eben heute Standard ist. Man schaut sich das an, ist nett unterhalten und hat eine Viertelstunde später vergessen, was man eigentlich die letzen zwei Stunden gemacht hat. Noch besser ist aber das Original von 1971. Er zeigt uns, wie faszinierend und anregend es gewesen sein muss, als wir die Zukunft noch vor uns hatten, noch zwischen Mensch und Avatar unterschieden haben und noch nicht klar war, wer die dominierende Spezies auf diesem Planeten ist: Mensch oder Computer.

*) Literaturtipp am Rande: Was wäre das Leben ohne Parasiten?

Noch ein Apollo-Film


Schön war's, das Jubiläum zu vierzig Jahre Mondlandung. Doch kurzlebig, wie unsere Zeit nunmal ist, empfindet man eine DVD, die jetzt erst in die Läden kommt, regelrecht als Verspätung. So jedenfalls war meine spontane Reaktion, als ich Moonshot - Der Flug von Apollo 11 in die Hände bekam. Was bietet dieses Doku-Drama, was ich im Jubiläumsreigen noch nicht gesehen habe? Lohnt es sich diesen Film anzuschauen?

Jedenfalls glänzt der Film nicht mit neuen spektakulären Aufnahmen, die in Werbetexten meist als "bis her noch nie von der NASA veröffentlicht" deklariert werden. Wer auf schöne Bilder aus ist, wird enttäuscht; mehr noch, die etwas billigen Tricks - inklusive Soundeffekte im Weltall - stören einfach nur. So zum Beispiel, wenn die Schauspieler sich betont langsam bewegen, um den Eindruck von Schwerelosigkeit vorzutäuschen. Andererseits - es ist ja ein Doku(!)-Drama - vermischt der Film Spielfimsequenzen geschickt mit historischen Aufnahmen und gibt so die Stimmung der Zeit gut wieder. Supernervig ist allerdings die Synchronisation. Das klingt oft so, wie bei einem Vorlesewettberwerb für Mittelstufenschüler und wenn dann noch der knackende NASA-Funkverkehr von Houston in ein glasklares Kunstdeutsch verwandelt wird, geht das ganze Raumfahrtgefühl verloren. An sich ist das kein Problem, denn die DVD bietet natürlich auch den englischen Originalton, doch da es leider keine Untertitel gibt, ist das nicht für jeden eine Option.

Soviel zu den schlechten Aspekten der DVD. Was mir gefällt ist der Drama-Teil des Doku-Dramas. Die drei Helden von Apollo 11 werden dank guter Schauspielleistung vielschichtiger dargestellt, als man es von Apollo-Filmen her sonst gewohnt ist. Da ist der verschlossene Neil Armstrong, der gerne über Technik redet und sich darüber mokiert, dass die Journalisten immer nur wissen wollen, "wie es sich anfühlt". Der Film suggeriert, dass die NASA ihn genau deswegen dazu bestimmt hat, als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond zu setzen. Seine Persönlichkeitsstruktur erlaubt es ihm nicht, diesen Moment emotional überzubewerten und so auch mit dem Medienrummel und der Zeit danach besser klar zu kommen - so jedenfalls der Film. Sein Lunar Lander Pilot Edwin Aldrin hingegen ist eine komplexe Persönlichkeit. Von Ehrgeiz und einem Übervater angetrieben, besteht sein persönliches Apollo-Programm darin, sich dem ruhigen technischen Sachverstand Neil Armstrongs unterzuordnen. "Zweiter sein" ist für ihn eine neue Lebenserfahrung. Michael Collins wirkt hingegen einfach strukturiert, nett und sympathisch. Dass er gar nicht auf dem Mond landen wird, erträgt er mit Gleichmut und verzichtet auf weitere Flüge nach Apollo 11. Er ist der loyale Partner im Hintergrund. Eine Szene während einer Pressekonferenz zeigt kurz und prägnant die Situation, in der sich diese drei verschiedenen Menschen wiederfinden. Anfangs sitzen sie einträchtig nebeneinander, doch da die Journalisten inzwischen wissen, dass Armstrong der erste Mensch auf dem Mond sein wird, richten sie ihre Fragen nur noch an ihn. Natürlich wollen sie wissen, wie es sich anfühlt und was es bedeutet und Armstrong stottert Gemeinplätze und weicht auf technikgebabbel aus, während Aldrin sich neben ihm die Hände reibt und sich kaum zurückhalten kann, seine Tiefschürfenden Gedanken loszuwerden, würde man ihn doch nur fragen - er wird das in seinen späteren Jahren alles nachholen. Michael Collins hingegen lehnt sich entspannt zurück, fläzt sich auf seinem Stuhl und schaut dem Treiben entspannt zu.

Die Interaktion dieses Dreigestirns Armstrong, Aldrin und Collins machen den Film sehenswert.
Zu der menschlichen Darstellung der Apollo-Reise gehören auch die Dinge, über die man sonst nicht gerne spricht: Zum Beispiel, wie das mit dem Urinieren funktioniert oder dass die drei Helden in ihrem engen Apollo-Raumschiff Blähungen vom trockenen Astronautenessen bekamen und auf dem Flug zum Mond ein merkwürdiges Objekt gesehen haben wollen, dass sie nicht einorden konnten. Zuerst kam mir dies etwas effektheißerisch vor, aber letztlich sind diese Dinge nur konsequent und dienen auch der Darstellung der Astronautenpersönlichkeiten. Gerade die Sache mit dem UFO ist gut gemacht. Edwin Aldrin möchte die Beobachtung Houston melden - böse Zungen behaupten, er würde heute noch so sprechen, als ob er alles was er sieht gerade nach Houston meldet. Sein Kommandant Neil Armstrong untersagt es ihm jedoch mit der Begründung, dass sich das Kontrollzentrum ganz allein auf sie und ihre Mission konzentrieren soll und nicht auf irgendein Stück vermeintlichen Weltraumschrotts. Hier also der enthusiastische Entdecker, dort der auf die Mission fokusierte Techniker.

Auch wenn der Film nicht die optische Dimension und zeitgeschichtliche Bedeutung von Im Schatten des Mondes hat, so hat er mich dank der schauspielerischen Leistung doch angenehm überrascht - eine Leistung, die allerdings nur im englischsprachigen Original bestand hat.

Raumfahrtdauerglotzen


Mercury, Gemini, Apollo, Skylab, Space Shuttle - in fünfzig Jahren Geschichte der NASA sind einige Projekte der bemannten Raumfahrt zusammengekommen. Das DVD-Paket "Ein großer Schritt für die Menschheit" zeigt auf vier Scheiben die Meilensteine der Jahre 1961 bis 1992 - von Alan B. Shepards ersten suborbitalen Flug, bis hin zum spektakulären Reparatureinsatz für das zunächst fehlerhafte Weltraumteleskop Hubble. Das sind rund dreihundert Minuten historische Aufnahmen, viele davon bisher unveröffentlicht. Lohnt sich das Raumfahrtdauerglotzen?

Drei der vier DVDs zeigen sechs aktuelle Dokumentationen, die mittels Originalaufnahmen und Interviews mit inzwischen ergrauten Astronauten die Meilensteine der bemannten Raumfahrt der NASA darstellen. Die vierte DVD hingegen enthält sehenswerte historische Dokumentationen der NASA selbst. Letztere zeigen eindrücklich, dass die frühen Erfolge der NASA in eine Zeit fallen, in der das Fernsehen als neues Massenmedium entsteht. Die NASA nutze dies von beginn an konsequent für ihre Selbstdarstellung, so wie es ihr heute wieder mit dem Massenmedium Internet gelingt. Sie dokumentierte ausführlich alle ihre Tätigkeiten am Boden, im Orbit und auf dem Mond im Film und lies so den zahlenden Bürger am Abenteuer Weltraumfahrt teilhaben, eine Brise Patriotismus inklusive. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir mit solchen DVDs nochmals minutiös dabei sein dürfen, wenn John Glenn um die Erde kreist oder Bruce McCandless sich mit seinem Raketenrucksack 90 Meter vom Space Shuttle entfernt - ganz ohne Leine!

Im Mittelpunkt von "Ein großer Schritt für die Menschheit" stehen die Astronauten und ihre Missionen. So wird in dieser Dokumentation mit keinem Wort erwähnt, dass es Wernher von Braun und seine deutschen Ingenieure mit der sehr problematischen Vergangenheit waren, die der NASA die Raketen bauten. Auch beim Umgang mit den drei großen Unfällen der amerikanischen Raumfahrt, also dem Verlust der Crews von Apollo 1, und der Space Shuttle Challenger und Columbia, zeigt die Dokumentation eher die Befindlichkeiten von Angehörigen und Kollegen. Dies ist zwar eindrücklich, doch würde ich mir eher die Nennung von Ross und Reiter wünschen: Was waren nun wirklich die Ursachen und wer trägt daran schuld? Ähnlich, wenn auch nicht so schwerwiegend ergeht es mir mit dem Weltraumteleskop Hubble. Die Reparatur des Teleskops war eine Meisterleistung, warum die NASA aber den Fehler in der Optik nicht schon am Boden bemerkte erfahren wir nicht. Zuweilen nimmt das komische Züge an. So können wir verfolgen, wie der Astronaut Gus Grissom nach seiner Landung im Meer beinahe ertrinkt. Warum aber eigentlich die Luke seiner Mercury-Kapsel abgesprengt wurde und so das Wasser eindrang, erfahren wir nicht.

Die Schilderung der großen Missionen der NASA in diesem DVD-Paket ist keine journalistische. Fragen nach Sinn und Verantwortung werden nicht gestellt. Der Weg der NASA wird nicht in Frage gestellt. War es klug das Apollo-Programm frühzeitig abzubrechen? Hätte man gleich den Mars anvisieren sollen anstatt mit dem Space Shuttle im erdnahen Orbit zu verweilen? Wie kam es zu der Diskrepanz zwischen den Visionen der Weltraumingenieure vom Schlage eines Wernher von Braun und der Realität? Hat die bemannte Raumfahrt außerhalb des Kalten Krieges eine Bedeutung und können die Chinesen der NASA heute dieselben Dienste leisten wie damals die Sowjetunion?

Antworten auf solche Fragen finden sich auf keiner einzigen der vier DVDs. Lohnt sich das Raumfahrtdauerglotzen dennoch? Ich denke ja. Das DVD-Paket "Ein großer Schritt für die Menschheit" bezieht seinen Wert und seine Spannung aus den zahlreichen spektakulären Aufnahmen und O-Töne der Beteiligten. Es ist ein Zeitdokument für alle, die sich für Technikgeschichte und Raumfahrt interessieren. Das DVD-Paket bietet die Bilder und Eindrücke, auf deren Hintergrund man sich dann fundierter die kritischen Fragen stellen kann.


"Ein großer Schritt für die Menschheit - Die Missionen der NASA" 4 DVDS, Discovery Channel, Polyband, Produziert in Zusammenarbeit mit der NASA. Fragt den freundlichen Buchhändler um die Ecke.

Einsteins große Idee


Eine Formel kennen alle: Einsteins Energie-Masse-Äquivalenz E=mc²
Kann man über diese Formel einen Spielfilm drehen?

In den nächsten Tagen kommt eine 104-minütige Dokumentation über den Weg zur berühmtesten Formel der Physik in die Läden, die in aufwendigen Spielfilmszenen die entscheidenden Stationen nachstellt. Der Film basiert auf den Bestseller "Bis Einstein kam - Die abenteuerliche Suche nach dem Geheimnis der Welt" von David Bodanis. In dem Buch steht die berühmte Formel E=mc² nicht im Mittelpunkt, sondern bildet den Endpunkt einer Entwicklung. Hierin liegt die große Stärke dieser Dokumentation: Indem sie systematisch der Herausbildung der Begriffe Energie und Masse nachspürt, stellt sie zahlreiche fundamentale Experimente aus der Physik des 18. und 19. Jahrhunderts nach und in ihren historischen Kontext. Am eindrucksvollsten gelingt dies bei Michael Faraday und Antoine Laurent de Lavoisier. Michael Faraday zu beobachten, wie er mit den Labormitteln seiner Zeit mit stromdurchflossenen Leitern und Magneten experimentiert, um das Geheimnissen des Elektromagnetismus zu ergründen, ist lehrreich und macht einfach Spaß. Die Experimente Lavoisier waren entscheidend für die Herausbildung des Materiebegriffs. Im gelang es nicht nur Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen, sondern dabei zu zeigen, dass nichts verloren geht. Die Materie bleibt bei chemischen Reaktionen erhalten. Auch dieses Experiment stellt die Dokumentation in Spielfilm-Manier nach.

Nachdem die Masse und die Energie erstmals als Erhaltungsgrößen erkannt waren, galt es nun die Ausnahme von der Regel zu entdecken, die Umwandlung von Masse in Energie. Experimentell sehr bedeutsam sind hierzu die Arbeiten von Lise Meitner und Otto Hahn. Die Dokumentation zeigt diese Entwicklung aus der Perspektive Lise Meitners, was sehr löblich und interessant ist, da diese zurückhaltende und bescheidene Frau viel zu oft Übergangen wird, wenn von den spannenden Jahren der frühen Atom- und Kernphysik erzählt wird.

Albert Einstein selbst begegnet einem in dieser Dokumentation zumeist als junger Mann in der Zeit seines "Wunderjahres" 1905. Das ist angenehm, denn hier wird nicht erneut das Klischee des trotteligen Professors vorgeführt, für das Einstein später so oft Modell stand. Vielmehr haben wir es mit einem charmanten, aber egozentrischen jungen Mann zu tun, der möglichst unkonventionell seinen Weg geht.

Die Schwäche der Dokumentation liegt darin, dass es ihr nicht gelingt, die abstrakte moderne Physik ausreichend und laiengerecht darzustellen. Dies liegt in der Natur der Sache. Der Sinn der Experimente von Einsteins Vorgängern erklärt sich beim Zuschauen mehr oder weniger von selbst. In die Gedankenwelt Einsteins kann der Zuschauer aber auch bei noch so guter schauspielerischer Leistung nur sehr oberflächlich eindringen - ähnlich verhält es sich mit den Atomkernen Lise Meitners. Daher gibt es Abzug in der B-Note und ich gebe den Film "nur" drei Smileys. Das sind aber immer noch viele, denn ich empfehle diesen Film gerne weiter: Egal ob Laie oder Experte, er bietet gute Unterhaltung - und das zur wichtigsten Formel der Physik.

Kennerschaft in der Naturwissenschaft


"Man ist entweder Fachmann oder Laie, aber nicht Kenner." Dieser Satz entstammt dem Vortrag "Welche Naturwissenschaft braucht der gebildete Mensch?" von Ernst-Peter Fischer. Mit diesem Satz beschreibt er ein Phänomen, das der Naturwissenschaft eigen ist: Entweder man kennt sich in ihr aus, mit allen Methoden wenigstens eines speziellen Gebiets oder man steht außerhalb von ihr, als Teil des zu belehrenden Publikums. Anders als in anderen Bereichen unserer Kultur scheint es in der Wissenschaft kaum eine Kennerschaft zu geben. Eine Kennerschaft wie sie zum Beispiel jemand für sich beansprucht, der Weine liebt, gute Literatur oder jedes relevante Kunstmuseum bereist.

Ein wesentlicher Grund hierfür ist wohl, dass Naturwissenschaft gerne anhand ihrer Fakten vermittelt wird. Wissenschaftler haben etwas herausgefunden, etwas entdeckt und versuchen nun dieses Wissen zu popularisieren, bzw. sie unterhalten einen Pressemenschen, der das für sie macht. Abgesehen davon, dass bei dem Akt der Popularisierung der wesentliche Inhalt oftmals auf der Strecke bleibt, tritt der Laie so nicht in einen Dialog ein, sondern nimmt die Information wie ein Schwamm auf, ein niemals endender Vorgang. Kennerschaft hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass der Kenner entweder in einem kontemplativen Monolog über eine Sache treten kann oder in einem Dialog mit anderen Kennern. Genau darin besteht dann der Akt der Bildung, wie Ernst-Peter Fischer betont. Gebildet ist, wer in einen Dialog treten kann und Bildung findet in diesem Gespräch statt.

Ziel der Vermittlung von Naturwissenschaft sollte es also sein, den anderen in die Lage zu versetzen, über Wissenschaft reden zu können. Ich habe den Eindruck, dass Blogs hier den informationslastigen Texten in Nachrichtenmagazinen weit voraus sind. Blogs und Foren sind beinahe so etwas wie die Humboldtschen Universitäten des 21. Jahrhunderts, eine Versammlung dialogwilliger Kenner. Jemand, der über einen Wissensvorsprung verfügt und/oder über die Fähigkeit prägnant zu formulieren, stellt einen Gedanken in den Raum, über den sich dann ein Gespräch der dialogwilligen Kenner entfalten kann. So findet mitunter mehr Bildung statt, als bei der Lektüre eines gehaltvollen Artikels.

Den Vortrag "Welche Naturwissenschaft braucht der gebildete Mensch?" von Ernst-Peter Fischer gibt es auf DVD-Video unter der ISBN 978-3-8312-9478-7