Amerikas peinlichster Astronaut

Irgendwas ist auf dem Rückweg vom Mond zur Erde mit Edgar "Ed" Mitchell geschehen. Der Lunar Lander Pilot von Apollo 14 hatte eine Offenbahrung. Irgendwie hatte er Teil oder Zugriff auf das Bewußtsein des Universums - eine Erfahrung, die man seiner Meinung nach nicht nur im All, sondern auch bei Nahtod-Erfahrungen oder Telekinese erleben kann und die er mit Rupert Sheldrake und Uri Geller teilt.

Ed Mitchell ist ein Kind seiner Zeit. Die sechziger Jahre sind vom Ausbruch aus Konventionen und alternativen Sichtweisen auf die Realität geprägt, wozu auch das Experimentieren mit bewußtseinsverändernden Drogen gehört. Auch Ed Mitchell war von sogenannten paranormalen Phänomenen fasziniert. Während seines Fluges zum Mond dachte er zu festgelegten Zeiten jeweils an eine andere geometrische Form. Freunde auf der Erde sollten zur selben Zeit das gleiche tun. Der Esoteriker im Astronautenkostüm ging davon aus, dass per Gedankenübertragung er und seine Freunde an die gleiche Form dachten. Das Experiment schlug natürlich fehl. Ed Mitchell begründete dies damit, dass der Zeitplan nicht korrekt eingehalten wurde. Somit musste das Experiment fehl schlagen, was wiederum ein Beweis für seine Richtigkeit ist (ja, so in der Art argumentieren Pseudowissenschaftler). Als die NASA im nachhinein von dem Experiment erfuhr, war ihr das natürlich peinlich. Dem damaligen Chef der NASA-Astronauten, Deke Slayton, blieb nur die Vorwärtsverteidigung: "Verdammt nochmal, die NASA weiß auch nicht immer alles." *)

Ed Mitchell verlies dann auch bereits ein Jahr nach seiner Rückkehr vom Mond die Weltraumbehörde. Er widmete sich nun ganz seinem Wunsch einen New-Age-Kult aufzubauen, also das Sinnbedürfnis der Menschen mit der modernen Wissenschaft in Einklang zu bringen. Dies läuft in der Regel darauf hinaus, dass schlau klingende, aber inhaltsleere Quantenphilosophie, sowie hochspekulative Kosmologie mit irgendeiner Vorstellung von Spiritualität und Innerlichkeit zu einem ranzigen Quark verrührt wird. Diesen Quark vermeintlich richtig verstanden führt zu einem irgendwie gearteten höheren Bewußtsein, das dem großen kosmischen Bewußtsein näher steht, oder so ähnlich **). Jedenfalls gründete er eine Organisation namens Institute of Noetic Sciences (IONS), die es heute immernoch gibt und zwar, wie sollte es anders sein, in der Nähe von San Francisco. Die Organisation schreibt über sich selbst:
We are a nonprofit membership organization located in Northern California that conducts and sponsors leading-edge research into the potentials and powers of consciousness—including perceptions, beliefs, attention, intention, and intuition. The Institute explores phenomena that do not necessarily fit conventional scientific models, while maintaining a commitment to scientific rigor.
Man erforscht also wissenschaftlich Phänomene, die man nicht notwendigerweise wissenschaftlich erforschen kann, hmm.

Man muss allerdings dazu sagen, dass Ed Mitchell seit 1982 nicht mehr Präsident von IONS ist.
Merkwürdige Ansichten, die aus den Drehbüchern der Fernsehserie Akte X entnommen zu sein scheinen, äußert er auch heute noch. In diesem Radiointerview vom 23. Juli 2008 spricht er von den Aliens, die unter uns leben, wovon die Behörden auch wissen, was sie aber verschweigen, blabla blub - ein bißchen so, wie Agent Mulder während einer langen Autofahrt zu Agent Scully redet. Das ist aber keine Fernsehserie! Sehr komisch ist, dass er dem Radiomoderator empfiehlt, er solle sich doch mal besser informieren, zum Beispiel im Internet.



Man kann sich fragen, warum Amerikas peinlichster Astronaut so neben der Spur läuft. Offensichtlich war er schon vor seinem Flug zum Mond im Jahre 1971 latent an den Dingen interessiert, für die sich viele junge Menschen im akademischen Umfeld in den Sechzigern eben interessierten. Dem Wunsch, der Welt eine spirituelle Tiefe zu geben und dabei zugleich mit konventionellen Religionen zu brechen und auch das eigene wissenschaftliche Weltbild zu integrieren führten zu dem bereits erwähnten New-Age-Quark. Ich vermute dermaßen geistig dispositioniert, hat er das starke Bedürfnis gehabt, seinen Mondflug spirituell aufzuladen und nicht nur Golf zu spielen wie sein Kommandant Alan Shepard. So etwas gab es auf Apollo 8 und 11 schließlich auch, nur behalfen sich dort die Astronauten mit tradierter christlicher Rhetorik und Rituale: die Genesis und das Abendmahl - das ist zwar komisch, aber man ist diese Dinge ja wenigstens gewohnt. Der Wunsch, eine New-Age-Erfahrung zu machen trifft zugleich auf die Furcht, den Mondflug nicht tief genug empfinden zu können, denn die Astronauten sind einerseits mit einer Fülle völlig ungewohnter Eindrücke konfrontiert und andererseits mit einem sehr engen Zeitplan ausgestattet, der es ihnen nicht erlaubt, die Eindrücke zu verarbeiten. Ähnliches kann man raushören, wenn man heute Astronauten von ihren Außenbordeinsätzen an der Internationalen Raumstation sprechen hört. Zusammengefasst könnte ich mir also vorstellen, dass der Wunsch nach spirituellem Erleben des Mondflugs in Kombination mit der Angst, dass genau dies nicht gelingt, bei Ed Mitchell die allerletzte Sicherung durchgebrannt hat. Allerdings ist das nur meine Spekulation, nicht viel besser als noetische Wissenschaft.

*) Zitiert aus: Andrew Smith: Moonwalker - Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte
**) Genaueres über New Age gibt es im Wikpedia-Eintrag. Hier reicht es zu wissen, dass New Age den Versuch darstellt, ein Sinnsystem zu entwickeln, in dem moderne Wisenschaft dazu missbraucht wird, einen religiösen Ansatz "wissenschaftlich" zu begründen, zum Beispiel den Holismus. New Age ist die esoterische Seite der amerikanischen Hippie-Bewegung und hat auch einen entsprechenden Bart.

3 Kommentare:

  1. Ja, aber Stefan, ein bischen offen muss man ja wohl doch bleiben, auch wenn es nicht besonders wahrscheinlich ist, dass Aliens auf der Erde landen und Regierungen das vertuschen. (Zumindest der erste Teil nicht)

    Die Existenz von Verschwörungstheorien beweist ja auch noch nicht, dass es keine Verschwörungen gibt.

    Oder wie Mulder sagen würde: "Sure, this guy is crazy! But has he seen something because he's crazy, or is he crazy because he has seen something?"

    Aber Dein Erklärungsansatz scheint mir wegweisend zu sein: Die unaufgelöste Spannung zwischen sinnfreiem (Arbeits)alltag und der Forderung nach wirklichem Leben mit Tiefe, Bedeutung und allem drum und dran scheint so manchen in den Wahnsinn zu treiben.

    Wusstest Du übrigens, dass 2012 der Maya Kalender ended, weil die Milchstrasse in Konjunktion steht - oder auch umgekehrt? Musst Du mal im Internet nachlesen ... und immer locker bleiben! :-)

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  2. Was Mulder anbelangt würde ich sagen: This guy is crazy, becomes he didn't see what he wants to see.
    Du weißt schon, nach dem Motto: I want to believe!

    Für die Wurzeln des New Age habe ich durchaus Verständnis. Letztlich resultiert New Age aus der Unfähigkeit der Kirchen, ihr Sinn-Angebot auf eine dem 20. Jahrhundert gemäße Form zu bringen, das heißt eine moderne Sprache zu finden und die wissenschaftlichen Entwicklungen zu integrieren. Ich halte das tatsächlich für das größte gesellschaftliche Problem unserer Zeit. Die Wissenschaft selbst zur Religion zu erheben, wie in den Kreisen von Ed Mitchell, ist aber eine Sackgasse. Letztlich sind Verschwörungstheorien die Dogmen derjenigen, für die Wissenschaft Religion ist und ich finde solche Leute peinlich.

    Ja, dass 2012 die Welt untergeht (oder auch nicht), kannst Du bei Florian nachlesen:
    http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/01/kein-weltuntergang-am-21-12-2012.php

    oder bei Roland anschauen:
    http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/06/2012-die-maya-und-roland-emmerich-ein-neuer-trailer-zum-weltuntergang.php

    Viel Spaß dabei!

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  3. Ups, es sollte natürlich "This guy is crazy, because..." heißen.

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