47 Minuten Einsamkeit


Wo befindet sich der einsamste Ort, den ein Mensch erreichen kann? Ganz klar, hinter dem Mond! Während sich die beiden Astronautenkollegen zusammen auf der Mondoberfläche tummeln und dabei noch ständig mit Houston im Funkkontakt stehen, fliegt der Pilot des Kommandomoduls ganz alleine um den Mond. Während jeder Umkreisung des Erdtrabanten befindet er sich für 47 Minuten im Funkschatten über dessen Rückseite, ganz allein auf sich gestellt. Dabei ist das Los des Command Module Pilots sowieso schon deprimierend: Nachdem er 380.000 Kilometer von der Erde zum Mond zurückgelegt hat, trennen ihn gerade noch 110 Kilometer vom Ziel. Auf diesen letzten Sprung verzichtet er, zugunsten seiner Kollegen und muss alle 75 Minuten für 47 Minuten darüber nachgrübeln. Dabei sind die Kommandomodul-Piloten gar nicht die schlechtesten Astronauten. Da ihre Aufgabe so bedeutsam ist und sie sogar alleine zurückfliegen können sollten, falls ihren Kollegen auf dem Mond etwas zustößt, hatte die NASA nur bewährte Astronauten diesen undankbaren Job gegeben. Die weniger begabten, bzw. die Anfänger durften als Piloten der Mondlandefähre hinab in den Mondstaub. Der Begriff Pilot ist hier irreführend, geflogen wurde die Fähre vom Kommandanten, während der "Pilot" im wesentlichen Zahlen irgendwelcher Anzeigen vorlas. Zurück zur Erde wurden die einsamen Astronauten ein zweites mal bestraft, denn da sie nicht wirklich auf der Oberfläche standen, waren sie auch für die oberflächliche Öffentlichkeit weniger gefragt und bekamen dadurch weniger lukrative Jobangebote. Da die Apollo-Astronauten, anders als unsere Top-Manager, keine Abfindungen bekamen, sondern ihre ganze Karriere über meist von dem Gehalt eines Hauptmanns (Captain), leben mussten, entstand so zwischen den Apollo-Astronauten tatsächlich eine Zweiklassengesellschaft. Davon war Michael Collins als Mitglied der so bedeutsamen Apollo-11-Besatzung allerdings nicht betroffen.

Hier sollen Sie nun wenigstens kurz erwähnt werden: Das Bild oben zeigt Michael Collins von Apollo 11. Weitere einsame Astronauten waren: Richard Gordon, Stu Roosa, Al Worden, Ken Mattingly und Ron Evans.

Michael Collins hat offensichtlich seine Zeit genutzt und nachgedacht. Nach seinem Apollo-11-Flug kehrte er der NASA den Rücken und lehnte weitere Flüge ab. Stattdessen schrieb er Bücher über Apollo und wurde der erste Direktor des National Air and Space Museeums. Er hat sich also für das Reflektieren entschieden. In seinem Buch Carrying the Fire zitiert Michael Collins aus einem Brief von Charles Lindbergh, der mit seinem Alleinflug über den Atlantik vielleicht am besten verstehen kann, wie sich ein einsamer Astronaut fühlt:
"Ich habe jede Minute dieses (ersten) Ausstiegs auf dem Mond verfolgt, und das war natürlich ungemein interessant. Sie jedoch haben meines Erachtens eine in gewisser Weise sehr viel essenziellere Erfahrung gemacht ... Sie haben eine Einsamkeit erlebt, wie sie der Mensch zuvor noch nicht gekannt hat."
Übrigens: Auf der Rückseite des Mondes ist noch nie ein Mensch gelandet. Wem das gelingt, der bekommt vielleicht einen ganz ähnlichen Brief, diesmal vielleicht von Michael Collins.

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