Mondtraum - Leben auf dem Mond


Gibt es intelligentes Leben auf dem Mond? Heute würde uns das sehr überraschen, denn es müsste sich zumindest in den Jahren des Apollo-Programms schon sehr gut versteckt haben. Im frühen 17. Jahrhundert sah das noch anders aus. Zur Zeit von Johannes Kepler wusste man sich diese faszinierenden kreisrunden Strukturen auf dem Mond nicht zu erklären - auf der Erde kannte man nichts vergleichbares. Die Idee, es könnten Steine vom Himmel regnen, erschien doch eher absonderlich. So erklärte man sich diese Strukturen zunächst als Vulkankrater und erst im 20. Jahrhundert als Einschlagskrater kleinerer Himmelskörper.

In seinem 1609 entstandenen Sciencefiction-Roman Somnium (Der Traum) hält Johannes Kepler eine andere Idee für plausibel: Die Mondbewohner rammen einen Pfahl in den Boden, befestigen daran eine viele Kilometer lange Schnur und Zirkeln damit einen Kreis ab. Entlang des Kreisumfangs schütten sie einen riesigen Wall auf - ähnlich wie wir es heute von den steinzeitlichen Kreisgrabenanlagen kennen, nur eben im Riesenformat. Der Sinn dieses Unternehmens liegt darin, dass die Bewohner nun fortwährend dem Wall entlang wandern können. So befinden sich die Bewohner während des zwei Wochen dauernden grellen Tags fast immer im Schatten - eine wahrlich intelligente Verhaltensanpassung an die Gegebenheiten des Mondes.

Der Roman Somnium könnte durchaus auch ein Anlass sein, nicht nur 400 Jahre Astronomie mit dem Teleskop zu feiern, sondern auch 400 Jahre Sciencefiction, denn mit diesem merkwürdigen Roman bezweckt Johannes Kepler etwas, was meiner Meinung nach gute Sciencefiction ausmacht. In Form einer Geschichte zwingt Kepler seine Leser zu einem Perspektivwechsel. Er schildert nicht einfach eine Reise zum Mond, sondern er lässt den Leser die Erde vom Mond aus wie einen Himmelskörper betrachten. Die Erde ist gewissermaßen ein Spiegelbild des Mondes. Für seine Bewohner zieht die blauweiße Kugel vor dem Fixsternhimmel durch den Tierkreis. Mit der Lektüre dieses Romans schult der Leser also seine kopernikanische Weltsicht, er macht sich anschaulich und auf unterhaltsame Weise mit der Idee vertraut, dass die Erde nicht im Mittelpunkt des Universums ruht.

Die moderne Wissenschaft, geboren in Keplers Zeit, erzwingt ständig den Perspektivwechsel. Geozentrismus, Anthropozentrismus und andere Einschränkungen des Denkens erscheinen unangemessen. Wer forscht sieht die Welt je nach Gebiet mal aus der Perspektive der Atome, der Mikroben, der Käfer (für die Gott, wenn es ihn gibt, einen besonderen Faible hat, denn er hat ja fast nichts anderes erschaffen) oder betrachtet gar die Erde wie ein ganzes Lebewesen. Und auch in der Erforschung des Weltalls mit seinen riesigen Weiten und langsamen zeitlichen Abläufen ist der Wissenschaftskundige gezwungen ständig seine gewohnte Sicht aufzugeben.
Mitreißende, anschauliche Geschichten im Stile von Keplers Somnium bereiten die Fantasie und das Vorstellungsvermögen des Leser auch heute noch auf den Perspektivwechsel vor, den der wissenschaftliche Fortschritt erzwingt. Als moderne Autoren hierfür fallen mir spontan Alastair Reynolds und Stephen Baxter ein - beide übrigens Naturwissenschaftler.

Das NASA-Bild oben zeigt übrigens den nach Johannes Kepler benannten Mondkrater. Zu diesem Text angeregt hat mich das Buch Helden des Himmels von Christian Pinter.

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