Dünne Suppe um Galilei

Im Studium Generale an der Universität Heidelberg startete heute die Vortragsreihe Galileis erster Blick durchs Fernrohr und die Folgen heute. Gerade komme ich vom Auftaktvortrag eines Herrn Professor Schmidt-Biggemann mit dem Titel "Galileo Galilei - ein Revolutionär?". Ich muss leider sagen, das war schon eine ziemlich dünne Suppe. Es ist bei mir eine Weile her, dass ich das letzte mal in einem Hörsaal saß, doch heute Abend habe ich mich wieder daran erinnert, warum ich das schon früher nur ungern getan habe. Da stottert sich der Dozent durch die beiden hauptsächlichen Weltsysteme, als ob das Publikum darüber nicht schon längst bescheid wüsste, nur um dann festzustellen, dass ihm die Zeit davon läuft. Also wird noch schnell angefügt, dass das Revolutionäre an Galilei gewesen sei, dass er die Mechanik in den Himmel gehoben hätte - irgendwie. Naja, ich hoffe die weiteren Vorträge dieser Reihe sind etwas gehaltvoller. Ich weiß auch nicht, wie das restliche Publikum den Vortrag gesehen hat, aber der Zuhörerschwund war doch nicht unerheblich. Im Kino habe ich so einen Schwund nur einmal erlebt, nämlich bei Helge Schneiders "Texas" (ich bin geblieben, ich fand den Film ganz okay).

Was mich aber am meisten ärgert ist, dass in Deutschland Professoren völlig ungeniert einen öffentlichen Vortrag über Galileo Galilei halten, ohne einmal ein Bild von ihm und seinem Teleskop zu zeigen. Steht es so schlimm um die didaktischen Fähigkeiten unserer Hochschullehrer? Ich erwarte ja keinen multimedialen Vortrag, aber zusammen mit der sprachlichen Behäbigkeit, zeigt dieses Versäumnis, wie wenig Gedanken sich der Dozent macht. Ich musste unwillkürlich an Peter Handkes Versuch über die Müdigkeit denken: "Nie habe ich von der Sache so unbeseelte Menschen erlebt wie jene Professoren und Dozenten der Universität." Heute Abend war diese Müdigkeit wieder greifbar. Jeder Hobbyastronom hätte einen besseren Galilei-Vortrag halten können.

Warum mich das so wütend macht? Florian Freistetter hat für seinen Blog Astrodicticum Simplex einen gewagten Selbstversuch unternommen, indem er einen Vortrag der etwas anderen Art besuchte: Erich von Däniken: Götterdämmerung. So wirr die Gedanken eines Däniken sein mögen, ich bin überzeugt, sein Vortrag war wesentlich beseelter und aufregender als der "wissenschaftliche" Vortrag, dem ich heute beiwohnen musste. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Leute lieber für Däniken Eintritt zahlen als sich ins kostenlose Studium Generale zu begeben.

Wie gesagt, ich gebe dieser doch an sich gut gemeinten Vortragsreihe noch ein oder zwei Chancen. Es wird sich sicherlich irgendwo Fleisch in der Suppe finden.

Übrigens, es geht auch ganz anders: Was war das für ein Ereignis, als Brian Greene im Deutsch-Amerikanischen-Institut in Heidelberg über die Stringtheorie vorgetragen hat! Der Saal war gerammelt voll, es war mucksmäuschen still, die Leute hingen an Mister Greenes Lippen (und das auf englisch), aus dessen Augen die Strings und Branen leuchteten und der seinen Vortrag mit instruktiven Animationen untermalte, um danach mit besten Ostküstencharme selbst die abwegigsten Fragen zu beantworten. Ach armes Deutschland hättest Du nur einen einzigen solchen Dozenten!

5 Kommentare:

  1. Ganz so schlimm ist es aber nicht bestellt um die Qualität astronomischer und physikalischer Vorträge in Deutschland.
    Ich habe mal im Einsteinjahr 2005 einen mitreißenden Vortrag von Prof. Hanns Ruder (Tübingen) über seine Visualisierung der Relativitätstheorie gehört. Das war ungeheuer witzig und geistreich und trotzdem nicht flach. Ohne daß man es so recht merkte, wurde einem eine ganze Menge Physik vermittelt.
    Z.b. Herr Bartelmann vom ITA in Heidelberg kann doch auch die Begeisterung für Astronomie rüberbringen. Ebenso Prof. Walther (Darmstadt), von dem ich auch schon zwei gute Vorträge gehört habe.
    Auch Prof. Camenzind (Sternwarte HD) und Frau Prof. Grebel (HD) halten gute Vorträge. Und es gibt ja auch noch Harald Lesch.

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  2. Ja, das war schon ziemlich polemisch von mir. Ich bitte aber um Nachsicht, denn es hat mich einfach geärgert, dass ich letztlich meinen gesamten Feierabend für einen schlechten Vortrag geopfert habe. Es stimmt aber schon, der Vortrag von Herr Bartelmann beispielsweise wird sicherlich um Längen besser. Da gehe ich auf jeden Fall wieder hin.

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  3. Das Problem ist: Für die akademische Karriere ist völlig unerheblich, ob man gute oder schlechte Lehre macht. Dort zählen nur die Publikationen. Deswegen konzentrieren sich die meisten Wissenschaftler auch voll und ganz auf ihre Forschung - Lehre und Öffentlichkeitsarbeit werden ignoriert - denn das kostet Zeit. Man kann mit seinen Vorlesungen und Vorträgen Sääle füllen oder Studenten vertreiben - völlig egal: auf den Lebenslauf und die Karrierechancen hat das keine Auswirkung. Solange sich das nicht ändert, wird sich auch die Qualität der Lehre nicht ändern.

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  4. Ich gebe zu, auch schon dröge Vorträge gehört zu haben, in der Wissenschaftler (aller Fachrichtungen) ein breiteres, allgemein interessiertes Publikum mit für dieses Publikum völlig uninteressanten Begriffsdefinitionen langweilten - zudem noch schlecht abgelesen. Mir ist also schon klar, was Du meinst. Aber ich finde, es ist nicht unbedingt symptomatisch. Die Sommervorträge ("Astronomie am Sonntag Vormittag") im MPIA auf dem Königstuhl kann man übrigens auch unbedingt weiterempfehlen.

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  5. Studium Generale is vielleicht als Strafe für Professoren gedacht für irgendwelches Fehlverhalten. Kann das sein? So ähnlich wie Nachsitzen. Damit etwas wirklich gut wird muss man es eben auch wirklich wollen :-)


    Etwa so wie Däniken, der meint es ernst! Aber das solls ja auch unter Wissenschaftlern geben.

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