Beteigeuze schwächelt: Der Himmelsjäger Orion hat Schulterprobleme

Das Sternbild Orion am frühen Abend des 22. Dezember 2019, aufgenommen von Bob King. Der Stern Beteigeuze (engl. Betelgeuse) ist mit einem Pfeil markiert.
Das Sternbild Orion gehört sicherlich zu den bekanntesten. Es ist sehr markant und dominiert mit seinen hellen Sternen den Winterhimmel. Einer dieser hellen Sterne ist der rötliche Stern Beteigeuze. Er markiert eine der beiden Schultern des mythologischen Jägers Orion.

Aufmerksamen Beobachtern*) dürfte nicht entgangen sein, dass in diesem Winter der Stern Beteigeuze allerdings viel von seiner Helligkeit eingebüßt hat. Seine Helligkeit ist deutlich gegenüber dem Stern Rigel am rechten unteren Teil der Sternfigur abgefallen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, den Beteigeuze ist ein sogenannter veränderlicher Stern, der in seiner Helligkeit immer schon mit Rigel konkurriert hat.

Die Abbildung unten veranschaulicht noch einmal die Sternfigur des Orion und zeigt, dass zur Zeit der Entstehung dieses Bildes im Jahre 1603 Beteigeuze etwa so hell wie Rigel erschien.

Sternbild Orion aus der Uranometria von Johann Bayer, erschienen 1603 in Augsburg

In der Uranometria ist Beteigeuze als Alpha Orionis und Rigel als Beta Orionis bezeichnet. Das ist bemerkenswert, weil Johann Bayer eigentlich die Sterne in abfallender Helligkeit mit den Buchstaben des griechischen Alphabets benannt hatte. Eigentlich müsste Rigel der Alpha-Stern des Orion sein.

Astronomen drücken die Helligkeit der Sterne in einer eigenen Größen-Skala aus. Dabei erhalten Sterne, die gerade noch sichtbar sind, den Wert 6 zugeordnet. Man sagt, sie sind von sechster Größe. Hellere Sterne erhalten dann allerdings kleinere Ziffern! Der Stern Vega im Sternbild Leier markiert den Wert 0, ist also ein Stern nullter Größe. Der veränderliche Stern Beteigeuze schwankt zwischen 0,2 und 1,5. Das bedeutet, er kann fast so hell wie Rigel werden oder so schwach wie der Stern Bellatrix, das ist der Stern, der die andere Schulter des Jägers markiert.

In dieser Abbildung hat Bob King die Helligkeiten von Rigel, Bellatrix und dem rötlichen Stern Aldebaran im Stier angegeben. So kann jeder versuchen durch Vergleich mit diesen Sternen die aktuelle Helligkeit von Beteigeuze einzuschätzen.

Aufnahme von Bob King vom 22. Dezember. Er schätzt die Helligkeit von Beteigeuze auf 1,4 mag

 Dass die Helligkeit von Beteigeuze variiert ist bereits dem Astronomen John Herschel im Jahre 1836 aufgefallen. Der aktuelle Helligkeitseinbruch ist aber der stärkste Einbruch der letzten 50 Jahre.


Lichtkurve von Beteigeuze nach AAVSO

Seine Veränderlichkeit verdankt Beteigeuze seinem starken Fortschritt in der Sternentwicklung. Neben dem Stern Antares im Sommersternbild Skorpion gehört Beteigeuze zu den hellsten Vertretern der Sternklasse der Roten Überriesen. Das sind massereiche Sterne, die in ihrem Kern bereits allen Wasserstoff zu Helium fusioniert haben und nun Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff "brennen". Ihr Kern ist dadurch kompakt und sehr heiß. Um die entstehende Energie abführen zu können, blasen sich die äußeren Schichten zu einer enormen Größe auf. Durch diese enorme Fläche werden sie hell, aber auch kühl und dadurch rötlich. Sterne wie Antares und Beteigeuze sind an ihrer Oberfläche nur halb so heiß, wie unsere Sonne, doch sind sie so riesig, dass sie bis an den Jupiter in unserem Sonnensystem heranreichen würden. Unsere Erde würde verschluckt werden, wenn sich unsere Sonne zu solch einem roten Überriesen aufblähen könnte. Das kann sie aber nicht, denn dazu mangelt es ihr an Masse.

Die Helligkeitsveränderung rührt von einer Vergrößerung der Oberfläche her. Der Stern ändert seinen Radius und somit seine Oberfläche, um angestaute Energie aus dem Inneren abzugeben (Pulsationsveränderlicher). Dies ist vergleichbar mit einem Kochtopf, der regelmäßig den Deckel anhebt, um etwas Dampf abzulassen. Dieser Prozess ist aber nur einer von mehreren Gründen, warum Beteigeuze seine Helligkeit ändert. Beteigeuze ist so groß, dass seine Oberfläche direkt abgebildet werden kann. Diese ist sehr aktiv und zeigt daher auch Muster, die zur Helligkeitsänderung beitragen: Es zeigen sich Sonnenflecken (eigentlich Sternflecken) und helle Strahlungsausbrüche. So wie auch unsere Sonne einen Aktivitätszyklus von 11 Jahren aufweist, ist dies auch bei anderen Sternen zu erwarten.

Sterne wie Beteigeuze beenden ihr Dasein mit einer gewaltigen Explosion, einer sogenannten Supernova. Dabei kollabiert der Kern des Sterns unter dem gewaltigen Druck der Sternmasse, sobald er kein Fusionsmaterial mehr hat, um einen Gegendruck zu erzeugen. Das kollabierte Sternmaterial wird mit hoher Geschwindigkeit zurückgeschleudert. Etwaige Planeten um Beteigeuze werden dabei vollkommen sterilisiert. Dem damit verbundene Strahlungsausbruch hält kein Leben stand.

Da der Stern Betelgeuse über 700 Lichtjahre entfernt ist, wären wir im Falle einer Supernova deutlich außerhalb der Todeszone von 50 Lichtjahren. Wir könnten also das faszinierende Schauspiel eines explodierenden Sterns genießen, der etwa einhundert Mal so hell wie die Venus leuchtet und das Phänomen Supernova aus relativ geringer Entfernung studieren. Andererseits wäre der vertraute Anblick des Himmelsjägers Orion für mich zerstört.

Momentan können wir nur abwarten und die weitere Entwicklung der Helligkeit von Beteigeuze dokumentieren.

Übrigens: Der nächstgelegene Supernova-Kandidat ist der Stern IK Pegasi im Sternbild Pegasus (laut Dave Dickinson). Er ist nur 154 Lichtjahre von uns entfernt, also deutlich näher als Beteigeuze, aber noch außerhalb der Todeszone. Er wäre ein Kandidat für eine Supernova vom Typ Ia. Anders als bei dem explodierenden Stern Beteigeuze handelt sich hierbei um ein Doppelsternsystem, bei dem Materie von einem Riesenstern auf einen benachbarten Weißen Zwerg abregnet, bis dieser so viel Masse angesammelt hat, dass es zu einem explosionsartigen Einsetzen der Kernfusion kommt.

Die letzte Supernova, die in unserer Milchstraße gesehen werden konnte, war von diesem Typ Ia. Sie wurde im Jahre 1604 unter anderem von Johannes Kepler beobachtet.

Der Buchstabe N markiert die Nova, den neuen Stern


In seinem Buch De Stella nova in pede Serpentarii („Über den neuen Stern im Fuß des Schlangenträgers“, 1606) findet sich die obige Zeichnung, in der der neue Stern mit einem N für Nova markiert ist. Johannes Kepler konnte nicht wissen, dass es sich bei dem neuen Stern um das Ende eines alten Sterns handelt. Sein Wort Nova blieb der Fachwelt aber erhalten und die Supernova von 1604 wird auch als Kepler'sche Supernova bezeichnet.

Schaut man sich heute die Supernova SN 1604 mit einem modernen Teleskop an, sieht sie so aus:

Credit: NASA/ESA/JHU/R.Sankrit & W.Blair

Bei dieser Aufnahme handelt es sich allerdings um ein Komposit aus sichtbarem Licht, Röntgen- und Infrarotstrahlung. Dabei kamen alle drei großen Weltraumobservatorien der NASA zum Einsatz: Chandra, Hubble und Spitzer.

*) Das schlechte Wetter hat bislang eigene Beobachtungen des Autors unmöglich gemacht.

Quellen:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen