Man kann es fast nicht glauben, aber in deutschen Haushalten
soll es circa 5 Millionen Teleskope geben (Quelle: interstellarum-Themenheft Teleskope & Ferngläser 2012). Eigentlich müssten in jeder sternklaren
Nacht die Wanderparkplätze und andere vom städtischen Licht ungestörte Orte nur
so vor Sternguckern überquellen. Dem ist aber nicht so und man kann wohl davon
ausgehen, dass die meisten Teleskope unbenutzt in einem
Kellerwinkel einstauben. Die Versprechungen der bunten Bilder auf der
Verpackung konnte das Teleskop nicht halten, stattdessen war die ferne Galaxie
schwierig zu finden und entpuppte sich als diffuses weißes Wölkchen - und so
wanderte in stiller Enttäuschung das
Teleskop in eine ferne Ecke des Haushalts. So oder so ähnlich mag es vielen der
fünf Millionen Teleskopen ergangen sein.
Das Buch Stern-Freunde porträtiert sechzehn
Amateurastronomen, die es geschafft haben und ihr Teleskop seit vielen Jahren eifrig
benutzen. Eine Frau und fünfzehn Männer
stehen exemplarisch für die tausende Hobbysterngucker, die nachts nach
Wolkenlücken Ausschau halten und mitunter erstaunliche Kosten und Mühen auf
sich nehmen, um den Himmel etwas näher zu sein. Uwe Glahn ist beispielsweise so
einer. Er verkörpert die sportliche Variante der Sternguckerei. Ausgerüstet ist
er mit einem sogenannten Dobson. Dieses Teleskop ist seiner Bauart nach auf das Wesentliche reduziert, zugunsten eines möglichsten großen Spiegels bei
gleichzeitiger Transportierbarkeit. Damit sucht er ferne Gebiete Europas und
Afrikas auf, um den dunklen unverfälschten Himmel und die schwärzeste Nacht zu
erleben. Ziel ist es möglichst leuchtschwache, weit entfernte Himmelsobjekte gerade
noch wahrzunehmen und per Zeichnung festzuhalten. Die Leistungsfähigkeit der
eigenen Wahrnehmung ist in dieser visuellen Deep-Sky-Beobachtung das Maß aller
Dinge.
Das andere Extrem sind Amateurastronomen, die über genügend
Kleingeld und technisches Knowhow verfügen, um sich eine eigene Privatsternwarte
einzurichten, die den Vergleich mit den kleineren Profi-Sternwarten prinzipiell nicht scheuen muss. Dazu
gehört auch der in dem Buch porträtierte Ranga Yogeshwar. Der bekannte
Fernsehmoderator mutiert in seiner freien Zeit zum semiprofessionellen Astronomen,
der im eigenen Garten Kleinplaneten jagt
Diese beiden Beispiele verdeutlichen bereits die Vielfalt,
die das Thema Astronomie den Stern-Freunden bietet. Was aber haben die
Porträtierten bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam? Was ist das
Erfolgsgeheimnis, das dafür sorgt, dass aus einer anfänglichen Euphorie ein
lebenslanges Hobby wird? „Mach es zu Deinem Projekt“ ist der Slogan einer
Baumarktkette, von „gesunder Zielstrebigkeit“ spricht der Amateurastronom Bernd
Gährken. Wer in dem weiten Feld der Astronomie sein Thema und seinen eigenen
Stil findet, der bleibt dabei - so
lautet das Fazit, das ich nach dem Lesen des Buches gezogen habe. Dazu gehört
auch eine gewisse Scheuklappenmentalität, die einem hilft, das eigene Ziel im
Blick zu halten. So bekennt der Sonnenbeobachter und in der Szene sehr
angesehene Teleskopbauer Wolfgang Lille in sympathischer Freimütigkeit, dass er
vielleicht zehn Objekte am Himmel findet.
Es geht übrigens auch ganz ohne Teleskop. Der Physiker
Wolfgang Steinicke – zwar auch als Deep-Sky-Beobachter sehr bewandert – ist vor
allem für seine Arbeiten im Bereich der Astronomiegeschichte weit über die
Amateurszene hinaus bekannt. Mit dem Namen Walter Kutschera wiederum wird uns
eine ganz andere Möglichkeit vorgestellt, das Hobby zu leben, nämlich in Form
des sozialen Events, der Starpartys und Teleskoptreffen.
Das Buch ist originell und irgendwie auch längst nötig
gewesen, denn die sechzehn porträtierten Stern-Freunde sind tatsächlich
Menschen, die man vom sehen kennt, die einem über den Weg laufen, wenn man sich
in der Szene bewegt, sei es auf Messen, Vorträgen oder Teleskoptreffen – und
weil Tratsch nun mal Spaß macht, macht auch das Buch Spaß. Es ist interessant
zu sehen, wie vielfältig der Zugang zum Hobby Astronomie ist und welche Wege
man darin gehen kann. Das Buch unterstützt diesen Gedanken, insofern jeder
Porträtierte unter ein Thema gestellt wird, wie zum Beispiel Supernovajagd,
Veränderliche oder Meteorbeobachtung. Der Autor führt kurz in das Thema ein und
ein Glossar am Ende hilft, die Fachbegriffe einer speziellen Disziplin besser
zu verstehen. Einziger Wermutstropfen ist, dass der Autor für meinen Geschmack
so manchen Interviewpartner zu sehr huldigt - bei Ranga Yogeshwar grenzt das
fast schon an Gottesanbetung. Hier wurde eine Chance vertan, mal zu berichten,
was genau er eigentlich in seiner Sternwartenhütte konkret macht. In unserem
Hobby stehen die Sterne im Mittelpunkt, nicht die Sternchen!
Dieser Kritik an
dem Buch möchte ich eine weitere anschließen: Die Frage, wie man den Staffel an
die nächste Generation weitergibt, was genau die Porträtierten dafür tun, dass ihr
spezifisches Knowhow nicht mit ihnen ausstirbt, hätte etwas pointierter
gestellt werden dürfen, denn darin sehe ich doch ein großes Problem. Ohne die
Anstrengungen der ganz handfesten Öffentlichkeits- und Vereinsarbeit, werden
noch viele Teleskope ihren staubigen Tod im Keller finden.
Frank Hauswald
Stern-Freunde
Amateur-Astronomen im Porträt
2012. 224 S.
Einband: Kartoniert
Verlag: Oculum
ISBN: 9783938469484
€ 12,90
Stern-Freunde
Amateur-Astronomen im Porträt
2012. 224 S.
Einband: Kartoniert
Verlag: Oculum
ISBN: 9783938469484
€ 12,90
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen