Der Granat am Himmel

µ Cephei in einer Aufnahme vom 9. September vom Pico del Teide, Teneriffa

Hoch über unseren Köpfen im Sternbild Kepheus
schwebt ein Riese. Der Stern µ Cephei, wegen seiner rötlichen Farbe von Wilhelm Herschel auch Granatstern genannt, ist einer der größten Sterne unserer Milchstraße - zumindest einer der größten Sterne für das bloße Auge. Würde dieser rote Überriese an der Stelle unserer Sonne stehen, würde er unser Sonnensystem bin hin zur Bahn des Saturn ausfüllen! Dabei ist der Saturn circa zehnmal so weit von der Sonne entfernt wie unsere Erde.

Der Granatstern ist rund 2500 Lichtjahre von uns entfernt und trotzdem als Stern 4. Größe mit dem bloßen Auge sichtbar. Diese große Helligkeit verdankt der Stern nicht seiner Temperatur, sondern seinem riesigen Durchmesser. Als Stern der Spektralklasse M ist er relativ kühl, weshalb er rötlicher als unsere heiße Sonne erscheint. Die riesige Oberfläche gleicht dies aber eben wieder aus. Im sogenannten Hertzsprung-Russell-Diagramm, in dem die Helligkeit gegen die Temperatur aufgetragen wird, steht der Granatstern daher bei den kühlen, aber hellen Sternen. In dem H-R-Diagramm hier ist er durch den roten Punkt rechts oben hervorgehoben.

Die Abszisse in dem Diagramm zeigt die Temperatur der Sterne in 1000 Kelvin an. µ Cephei ist also "nur" etwas über 2000 Kelvin heiß. Die Ordinate gibt die absolute Helligkeit in der in der Astronomie üblichen Einheit Magnitude an. Unsere Sonne übrigens liegt auf der roten Linie im Bereich von 5 Magnituden.

Die Helligkeit von µ Cephei ist allerdings nicht konstant. Der Stern gehört zur Klasse der halbregelmäßigen Veränderlichen. Dabei handelt es sich um pulsierende Riesen- und Überriesensterne, deren Helligkeit nicht streng periodisch schwankt (andere Beispiele sind Antares und Beteigeuze). Die Helligkeitsschwankungen von µ Cephei liegt im Bereich von 3,8 Tagen. Eine ausführliche Darstellung hierzu nebst Lichtkurve findet man auf der µ-Cephei-Seite der American Association of Variable Star Observers. Durch die Pulsation kommt es zu einem verstärkten Ausstoß von Gas- und Staub. In dieser Staub- und Gasschicht um µ Cephei gelang es, unter anderem mit dem Infrarotsatelliten ISO, Wasser nachzuweisen.

Dass µ Cephei so groß werden konnte, liegt an seiner Masse. Man schätzt sie auf 20 bis 25 Sonnenmassen. Solche massereichen Sterne leben nur wenige Million Jahre, da sie ihren Wasserstoff im Kern schnell verbrauchen. Auch der Granatstern befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium, in dem längst Fusionsprozesse jenseits des "Wasserstoffbrennens" eingesetzt haben. Gelangt der Stern zur letzten Stufe, der Fusion zu Eisen im Kern, kann er dem Gewicht seiner äußeren Schalen nichts mehr entgegensetzen und implodiert. Dabei werden die Bereiche des Sterns außerhalb des Kerns mit großer Energie abgestoßen, es kommt zu einer Supernova. Der Kern bleibt als Neutronenstern oder Schwarzes Loch zurück. Dieses Schicksal kann µ Cephei jeden Augenblick ereilen. Vielleicht ist es gerade eben passiert und wir müssen nun über zweitausend Jahre warten, bis uns diese Information erreicht.

Die beiden folgenden Himmelskarten zeigen, wo der Granatstern zu finden ist. Das Sternbild Kepheus ist in unseren Breiten zirkumpolar, also das ganze Jahr zu sehen. Nachts hoch am Himmel steht der Granat aber natürlich nicht zu jeder Jahreszeit. Wer also einen saturnbahngroßen Riesen in über zweitausend Lichtjahren Entfernung sehen will, sollte in nächster Zeit mal nachts vor die Tür gehen.


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