Wie der Mars zum Gott wurde


In seinem lesenswerten Buch Der neunte Kontinent erzählt Ulf von Rauchhaupt eine nette Geschichte, nämlich wie der rote Planet zum Gott wurde.

Als die Italiker von Norden her in das heute nach ihnen benannte Gebiet eindrangen und dabei unter anderem Rom gründeten, brachten sie Mars mit. Dieser Mars war zwar ein Gott - und zwar ein besonders wichtiger - hatte aber noch nichts mit dem roten Planeten am Himmel zu tun. Mars war auch kein Kriegsgott, sondern vielmehr zuständig für die Fruchtbarkeit der Felder. Daran erinnert noch heute der Name des Frühlingsmonats März. Eine kriegerische Anmutung bekam der Mars dadurch, dass die Italiker den Brauch hatten, ihre Bevölkerung nach schlechten Ernten rituell zu kontrollieren. Dafür wurden im Frühling des Folgejahres gerade erwachsen gewordene Teenager aus dem jeweiligen Gebiet vertrieben, damit diese sich woanders niederließen und so der Bevölkerungsüberschuss reduziert wurde. Mit dieser Expansion im Frühling bekam der Mars auch einen kriegerischen Aspekt.

Nach ihrer Begegnung mit den in Unteritalien siedelnden Griechen setzten die Italiker ihren Gott Mars mit dem griechischen Kriegsgott Ares gleich. Dieser wiederum entstammt dem babylonischen Nergal und war von vorne herein mit dem roten Planeten verbunden. Natürlich waren die Menschen damals nicht so naiv, dass sie das rote Gestirn selbst für einen Gott hielten, vielmehr wurde dieser Planet dem Kriegsgott geweiht, er repräsentierte ihn. Jedenfalls kamen die Römer via Ares auf die Idee, den roten Planeten mit ihrem Mars zu assoziieren.

Für die Römer war Mars eine sehr bedeutende Gottheit, der auch im Gründungsmythos Roms eine wichtige Rolle spielt. Das passt ganz gut, waren die Römer doch eine militäristische Zivilisation. Ares auf griechischer Seite hingegen stand in keinem hohen Ansehen. Feinfühlig wie die Griechen sind, hatten sie nämlich zwei Kriegsgötter: Athene war zuständig für den vernünftigen, ehrenvollen Krieg, Ares hingegen für den grausamen abschlachtenden Krieg. Das mag uns heute etwas spitzfindig vorkommen, doch unterscheiden wir ja auch zwischen einer "sauberen" Kriegsführung mit "chirurgischer Präzision" und das Abschlachten im Stellungskrieg des I. Weltkriegs. Vielleicht, ich bin ja kein Historiker, ist aber auch das Schachspiel ein guter Vergleich: Meister des Schachspiels erkennen recht schnell, ob sie sich in eine gute Position gebracht haben und das Spiel gewinnen werden oder eben nicht. Anfänger hingegen neigen dazu sich bis zum Ende zu bekriegen und dabei jeden Bauern einzeln abzuschlachten. Die meisterliche Kriegsführung ist Athenes Fachgebiet, Ares ist der Schlächter.

Für uns ist aber der Mars einfach nur ein Planet. Das kann man als Entzauberung empfinden, doch versetzt diese Haltung uns in die Lage, den Mars wissenschaftlich zu erobern - wie es der Untertitel von Rauchhaupts Buch betont.

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