"Die Leute mit den langen Augen"

Angeblich bezeichen die Ureinwohner Nordamerikas die Astronomen auf dem Kitt Peak in Arizona als "die Leute mit den langen Augen". Zwei Langaugen wurden die Tage interviewt, was insofern interessant ist, als sie zumindest institutionell unter völlig verschiedenen Voraussetzungen Astronomie betreiben.

José Gabriel Funes kann einem Leid tun, denn er ist nicht nur Astronom, sondern auch Jesuit. Das macht ihn verdächtig und prombt wird er in einem Interview auf Welt-Online gefragt:
"Doch was in aller Welt suchen Sie denn im Universum?"
Das ganze Interview hindurch versucht der Astronom im Mönchsgewand freundlich aber bestimmt seinen Gegenübern klarzumachen, dass er als Leiter der Vatikanischen Sternwarte vor allem Wissenschaftler ist. Nicht richtig zwischen Glauben und Wissen zu trennen ist der Verdacht, dem die Fragesteller ihn aussetzten. Anders als den naiven Kreationisten Amerikas geht es den Jesuiten nicht um eine Verbiegung der Wahrheit zugunsten einer billigen Synthese. Vielmehr lotet der mönchische Astronom aus, wie weit man mit kritischem wissenschaftlichen Denken kommen kann und er warnt eindringlich vor Ignoranz und Fundamentalismus beider Seiten. So nebenbei formuliert er auch die meiner Meinung nach beste Antwort auf die wieder aktuelle Frage nach dem astronomischen Wahrheitsgehalt des Weihnachtssterns: Ob es ihn gegeben hat oder nicht, er ist vor allem ein Symbol, denn er hat sowohl die Hirten als auch die Weisen (=Wissenschaftler) zum Stall geführt. Dies kann man theologisch interpretieren nach dem Motto Jesus ist für alle geboren oder weltlich nach dem Motto keiner ist bedeutender als der andere - jeder wie er will.
Die Irritation der Journalisten in der Vatikanischen Sternwarte auf so viel Vernunft zu stoßen drücken sie in der dämlichen Überschrift ihres Interviews aus: Der Vatikan zwischen Astrologie und Astronomie Dieser Titel hat nichts mit dem lesenswerten Interview zu tun.

Eine komische Verrenkung muss dann aber doch der Katholik vornehmen, wenn er gefragt wird, wozu denn theologisch gesehen der Aufwand einer Sternwarte gerechtfertigt ist. Ein Pater kann nicht einfach sagen, dass er das Universum erforscht, weil er es geil findet. Nein, "zur größeren Ehre Gottes" muss es schon irgendwie sein ("er" habe ich gerade geschrieben, denn wo das "sie" bleibt ist ein Skandal für sich und Grund genug aus dieser Kirche auszutreten). Ganz unverständlich wird es, wenn sich Joseph Ratzinger, derzeit Papst in Rom, dieser Problematik annimmt. Am Sonntag sagte er in seinem Grußwort für das "Weltjahr der Astronomie" laut kathweb:
"Auch die Gesetze der Natur, die uns im Laufe der Jahrhunderte von vielen Wissenschaftlern nähergebracht wurden, sind ein großer Ansporn, mit Dankbarkeit das Werk Gottes zu betrachten"
Wem sich nach diesem Satz nicht das Gehirn ausrenkt, der hat keins.

Einfacher hat es da Harald Lesch und einfacher ist auch der Titel seines Interviews auf Zeit-Online: "Unser Planet ist toll" Dieser nette Ausspruch ist dem astrobiologischen Kontext des Interviews entrissen. Da der Professor für Astrophysik aus München schon so etwas wie der Marketingleiter für Astronomie im deutschsprachigen Raum ist, freut er sich, dass die Entwicklung astrobiologischer Fragestellungen den Nerv des Publikums trifft: Die großen Fragen von Otto-Normal-Zeitungsleser sind auch Fragen der wissenschaftlichen Astronomie. Die Wissenschaft bleibt also ganz Wissenschaft und befriedigt zugleich das Publikum.

Anders als Herr Ratzinger und sein Angestellter vom Vatikanischen Observatorium preist Harald Lesch nicht die Schöpfung, sondern feiert die Vernunft:
"Für mich ist Astronomie die hohe Kunst der menschlichen Vernunft. Denn ein größeres Spielfeld für unsere wissenschaftlichen Modelle und Theorien als den Kosmos kann es gar nicht geben."
Ich denke beide Interviews sind lesenswert. Es sprechen hier zwei Astronomen mit unterschiedlichem Hintergrund, vereint durch das Streben nach wissenschaftlicher Wahrheit. Beide finden Astronomie geil, auch wenn der eine das so nie sagen würde.

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