Messier 35: Ein offener Sternhaufen am Winterhimmel


In offenen Sternhaufen tummeln sich Sterngeschwister, die aus derselben Gas- und Staubwolke entstanden sind. Wie Jugendliche hängen sie noch in Gruppen zusammen, von denen sie sich nur langsam lösen, um dann wie unsere Sonne eigene Wege zu gehen.
Das Material, aus dem Sterne entstehen, befindet sich in der Scheibe unserer flachen Heimatgalaxie. Da wir selbst uns in dieser Scheibe befinden, sehen wir unsere Galaxie als Band der Milchstraße am Nachthimmel. Die Sternentstehungsgebiete und somit auch die offenen Sternhaufen sind daher entlang des Milchstraßenbandes aufgereiht. Im Sommer können wir das Band der Milchstraße gut erkennen, da wir in Richtung des Zentrums unserer Galaxie blicken. Im Winter ist das Band der Milchstraße nicht weg, sondern nur schlechter zu sehen, weil wir nun vom Zentrum weg in die dünn besiedelten Außenbereiche schauen. Die beiden Zwillingsbrüder Kastor und Pollux stehen mit ihren Füßen auf der Milchstraße. Das breite Galaxienband durchzieht ihr Sternbild Gemini (Zwillinge) genau so wie die Nachbarsternbilder Auriga (Fuhrmann), Taurus (Stier) und Orion. Genau in dieser Ecke des Himmels befindet sich der offene Sternhaufen M 35, der 35. Eintrag im Katalog von Charles Messier.

Der Sternhaufen befindet sich etwa 100 Lichtjahre oberhalb der galaktischen Ebene. Seine Entfernung zu uns beträgt 2700 Lichtjahre. Er ist also deutlich weiter weg als die berühmten Plejaden, die man zur selben Jahreszeit im Sternbild Stier bewundern kann. Der Astronom Robert J. Trümpler klassifiziert M 35 als III3r. Diese Klassifikation gibt im wesentlichen das Erscheinungsbild wieder und bedeutet übersetzt: Der Haufen ist zwar gut abgegrenzt, also allein stehend, aber hat keine wahrnehmbare Konzentration. Die Sterne wirken gleichmäßig verteilt. Außerdem sind es sehr viele Sterne, von ganz unterschiedlicher Helligkeit. Auf der Aufnahme glaubt man die Mitglieder des Haufens zählen zu können. Es sind aber weit mehr, als auf dem Bild zu sehen sind. Die Astronomen rechnen mit 2700 Sterne, die zu M 35 zu zählen sind: 2700 Sterngeschwister! Weniger als 120 davon sind für das hier verwendete Teleskop visuell hell genug.

Der hellste Stern in M 35 ist ein blauer Riese vom Spektraltyp B3, mit über 700facher Sonnenleuchtkraft. Sterne durchlaufen in ihrer Existenz charakteristische Phasen, ähnlich wie Menschen auch. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Menschen die zur selben Zeit geboren werden, durchlaufen auch die verschiedenen Stadien ihres Reifungsprozesses mehr oder weniger zur selben Zeit. Bei Sternen ist es anders: Massereiche Sterne altern viel schneller. Obwohl also alle Sterne im Haufen zur selben Zeit entstanden sind, sind manche von ihnen noch Teenager, während andere schon Greise sind. Jeder Sternhaufen hat so eine charakteristische Verteilung von weit fortgeschrittenen und noch wenig entwickelten Sternen. Die Astronomen können aus dieser Verteilung auf das Alter des Sternhaufens schließen. Für Messier 35 wird ein Alter von lediglich 150 Millionen Jahre angegeben.


Wie jung das ist, zeigt der Vergleich mit einer anderen nebelartigen Struktur auf der Aufnahme. Bei dem Objekt NGC 2158 handelt es sich ebenfalls um einen Sternhaufen, dessen Alter mit zwei Milliarden Jahre angegeben wird. Er ist so alt, dass er etwa 20% seiner ursprünglichen Masse verloren hat. Sternhaufen verlieren ihre Masse durch den frühen Tod der schnelllebigen massereichen Sterne (Supernovae) und durch die Gravitationswirkung der Sterne im Haufen selbst. Offene Sternhaufen lösen sich mit der Zeit auf.
Dass der Sternhaufen NGC 2158 so viel kleiner aussieht, liegt natürlich an seiner großen Entfernung. Er ist etwa zehntausend Lichtjahre weiter entfernt als Messier 35.

Der Sternhaufen M35 hat einen Durchmesser von 22 Lichtjahren. Bei der vermuteten Sternenanzahl bedeutet dies, dass sich in einem Kubiklichtjahr drei Sterne befinden. Zum Vergleich: Der nächstgelegene Nachbarstern unserer Sonne ist über vier Lichtjahre entfernt. Einer der Sterne in Messier 35 ist ein Doppelstern mit der Nummer ADS 4744, bzw 134 im Katalog der Doppelsterne von Otto Struve. Der Abstand von 31" der beiden Komponenten lässt sich auch im Amateurteleskop trennen.
Messier 35 ist mit einer Helligkeit von 5mag und einer Winkelausdehnung von 28' (also etwa so groß wie der Vollmond) ein wunderschönes Fernglasobjekt, das sich unter einem dunklen Himmel sogar mit bloßem Auge entdecken lässt. Der Haufen ist somit auch recht leicht zu finden: Man muss nur von dem Stern Kastor ausgehend die Sternenkette bis zu den hellen Sternen µ Gem und ν Gem entlang wandern. Etwas oberhalb dieser beiden Sterne ist Messier 35 leicht auszumachen.

Literatur: Stoyan, Atlas der Messier-Objekte Oculum-Verlag

Angaben zur Aufnahme: 
19 Minuten gesamte Belichtungszeit (gestackt) mit Canon EOS 500D ohne Nachführkontrolle
Teleskop: Skywatcher ED Apo 120/900 Evostar
Montierung: Skywatcher HEQ-5 Pro
Aufnahmedatum: 20.02.2015

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