Archimedes und das Alpental

Gestern Abend hatten wir einen wunderbaren Himmel und dazu einen Mond, der sich zu Jupiter und dem Stern Aldebaran im Stier gesellte. Julian Zoller von der Volkssternwarte Schriesheim nutze die Gelegenheit für ein Mosaik, also ein aus mehreren Aufnahmen zusammengesetztes Bild des Halbmondes. Hier das Ergebnis:

Zur Großansicht der Aufnahme
Schon mit bloßem Auge auffallend sind die dunklen Ebenen. Das sind mit basaltischer Lava geflutete Becken. Große Einschläge in der Frühzeit unseres Sonnensystems beschädigten die Mondkruste. In einer späteren Phase, in der sich flüssige Magma bildete, trat diese als Lava aus den Rissen hervor, mit der flüssigen Konsistenz von heißem Motorenöl. Heute markiert das daraus entstandene dunkle Basaltgestein die Becken. Hier ist die Landschaft relativ jung und eben. Die ersten Mondbeobachter interpretierten sie als Meere, weshalb sie noch heute nach dem lateinischen Worte Mare benannt werden. Da sie so schön schon mit bloßem Auge sichtbar sind, will ich hier kurz die Namen der größten angeben.


A = Mare Imbrium
B = Mare Serenitatis
C = Mare Vaporum
D = Mare Tranquillitatis (genau: der Landeplatz von Apollo 11)
E = Mare Crisium
F = Mare Fecunditatis
G = Mare Nectaris

Es macht großen Spaß mit dem Teleskop über die Mondlandschaften zu wandern, was man in der Großansicht der Aufnahme wenigstens ein bisschen simulieren kann. Wir wollen uns speziell noch einen Ausschnitt im Bereich des Mare Imbrium anschauen:


Mare Imbrium ist lateinisch für Regenmeer. Diese sehr markante Struktur auf dem Mond ist der lavageflutete Teil eines 1200 Kilometer großen Einschlagkraters. Ringförmige Gebirge markieren dessen Rand. In der Mondnomenklatur werden diese Gebirge Montes genannt. Ihr Name ist oft irdischen Gebirgen entliehen. In dem Bild rechts unten sehen wir Montes Apenninus, rechts oben Montes Caucasus und ganz oben im Bild die Mondalpen, Montes Alpes. Die Mondalpen durchzieht ein markanter "Riss", als hätte Julian bei der Erstellung des Mosaiks gepennt - hat er aber nicht, die Struktur ist echt! Dieses Alpental (Vallis Alpes) ist 155 Kilometer lang und 10 bis 20 Kilometer breit. An dieser Stelle senkte sich die Mondkruste, vermutlich bei der Entstehung des Mare Imbrium. Dieser Grabenbruch bei den Mondalpen erinnert an das Ensemble aus Alpen und Oberrheingraben auf der Erde. Das Alpental wird fast die ganze Länge hindurch von einer nur 500 Meter breiten Rille durchzogen. Diese Rille zu sehen ist eine echte Herausforderung.

Von den vielen Kratern möchte ich nur einen kurz erwähnen, nämlich den großen links unten. Das ist der Krater Archimedes. Sein Grund ist aufgefüllt mit dunklem Basalt bis auf die Höhe des Mare. Nicht mehr den ursprünglichen Kratergrund, sondern nur noch der Kraterwall ist zu sehen. Dieser erhebt sich 1600 Meter über den Grund. Ein Krater dieser Größe sollte eigentlich ein Zentralgebirge besitzen, doch es wurde bei der Entstehung des Mare Imbrium geflutet und das verleiht dieser Struktur ihr merkwürdiges Aussehen. Da man aus dem Durchmesser von Archimedes auf die Höhe des Zentralgebirges schließen kann und dieses nun völlig bedeckt ist, weiß man, dass die Lavaschicht etwa 2400 Meter dick sein muss.

Sehr kurios ist auch der helle "Fleck" etwas oberhalb der Bildmitte. Es handelt sich um den Mons Piton, ein einzeln aufragender Berg in der weiten Lavaebene. Einst ein Gebirge, ragt seit der Entstehung des Mare Imbrium vor fast 4 Milliarden Jahren nur noch dieser höchste Punkt aus der kalten Lavamasse. Wenn die Sonnenstrahlen flach auf die dunkle Ebene trifft, erstrahlt der Gipfel des Berges schon im hellen Glanz der aufgehenden Sonne - ein grandioser Anblick im Teleskop, den eine Aufnahme nicht wiedergeben geben, selbst so eine gute Aufnahme wie die von Julian Zoller nicht.

Verwendete Literatur und Lesetipp: Spix, Gasparini Der Moonhopper, Oculum-Verlag

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