Der verlorene Mond

Eines der vielen Rätsel der Astronomie liegt direkt vor unserer Haustüre: Der mit 380.000 Kilometer Entfernung in kosmischen Maßstäben sehr nahe Mond hat zwei unterschiedliche Gesichter. Hier zunächst die uns vertraute Ansicht des Mondes, wie wir sie Nacht für Nacht im Wechsel der Mondphasen beobachten können:

Credit: NASA
Das Bild wurde mit dem Lunar Reconnaissance Orbiter aufgenommen. Man sieht links von der Mitte den großen Krater Copernicus. Vor allem sticht aber der Unterschied zwischen den dunklen, glatten Bereichen und den deutlich helleren, stark verkraterten Gebirgen - Hochländer genannt - ins Auge. Die dunklen Bereiche wurden von den ersten Teleskopbeobachtern als Mare, also Meere bezeichnet und noch heute sprechen wir vom "Meer der Erkenntnis", dem "Regenmeer" oder sinnigerweise vom "Meer der Feuchtigkeit".

Wir sehen von der Erde aus ausschließlich diese Seite des Mondes, da sich der Mond in derselben Zeit, in der er um die Erde läuft, auch um die eigene Achse dreht. Das ist natürlich kein Zufall, sondern ein Effekt der Gezeitenkräfte, die von der Erdanziehung auf dem Mond ausgeübt werden. In unserem Sonnensystem sind solche "gebundenen Rotationen" keine Seltenheit.

Daher braucht es Raumfahrzeuge, um einen Blick hinter dem Mond zu werfen. Dies gelang zuerst der sowjetischen Raumsonde Lunik 3 im Jahre 1959. Die moderne Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter liefert uns heute dieses Bild von der erdabgewannten Seite des Mondes:

Credit: NASA
Was sofort ins Auge sticht, sind die fast nicht vorhandenen Mare. Warum ist das so? Die Mare entstanden wohl durch Einschläge großer Meteoriten, die zu Brüchen in der Kruste des Mondes führten. Aus diesen Brüchen trat dann zu einem späteren Zeitpunkt, als die große Zeit der Meteoriteneinschläge sich allmählich dem Ende zuneigte, Lava aus und bildete diese großen relativ glatten Strukturen, die nur noch wenige Krater aus jüngerer Zeit aufweisen. Dass die Mare also bevorzugt auf der erdzugewannten Seite vorkommen, könnte demnach daran liegen, dass die Erde mit ihrer Gravitationskraft die Bahnen der Meteoriten entsprechend beeinflusst.

Es gibt aber auch eine ganz andere Theorie, nämlich die von Martin Jutzi und Erik Asphaug von der University of California, Santa Cruz. Um ihren Erklärungsansatz zu verstehen, muss man wissen, dass die Astronomen heutzutage davon ausgehen, dass der Mond aus Material entstand, welches aus der Erde herausgeschlagen wurde, als ein etwa marsgroßer Körper mit ihr kollidierte. Dieses Material sammelte sich im Erdorbit und bildete dann unseren Mond. Nach Computersimulationen der beiden Wissenschaftler wäre es möglich, dass neben unserem relativ großen Erdmond auch noch ein kleinerer Körper entstand. Dessen Baumaterial soll erst mal in einem Lagrange-Punkt genannten Bereich "geparkt" haben, in dem die Gravitationsverhältnisse des Systems Erde-Mond stabil sind. Der fertige Minimond soll sich dann daraus langsam entfernt haben, um schließlich auf die erdabgewannte Seite des Mondes einzuschlagen. Die Hochländer der Mondrückseite wären also nichts weiter als die Überreste dieses ehemaligen zweiten Erdmonds.

Wie kann man so eine Theorie beweisen? Ein erster Schritt könnte die Mondmission Gravity Recovery and Interior Laboratory, kurz GRAIL sein. Ziel dieser Mission ist es, das Gravitationsfeld des Mondes zu untersuchen und so quasi unter die Oberfläche zu schauen. Dazu fliegen zwei Mondsonden hintereinander her. Durch Abweichungen im Gravitationsfeld von einer idealen sphärischen Form verkürzt oder verlängert sich der Abstand der Sonden zueinander, was präzise gemessen werden kann.

Dieser Blick ins Innere könnte ein Indiz für die Theorie des Mondeinschlags sein, oder in den Worten des für GRAIL mitverantwortlichen Wissenschaftlers David Smith:
 "These measurements will tell us a lot about the distribution of material inside the Moon, and give us pretty definitive information about the differences in the two sides of the Moon's crust and mantle. If the density of crustal material on the lunar far side differs from that on the near side in a particular way, the finding will lend support to the 'two moon' theory."
Noch stärkere Indizien könnten Materialproben von der erdabgewandten Seite des Mondes liefern. Wenn es sich bei diesem Material um Teile des aufgeschlagenen kleineren Mondes handelt, müsste es älter sein, als das übrige Mondgestein. Dies liegt daran, dass der kleine Minimond nach seiner Entstehung schneller ausgekühlt war und das Gestein so früher fest wurde, als das des großen und somit besser wärmeisolierten Mondes. Die Gesteinsuhr beginnt zu ticken, sobald die Schmelze fest wird - wo das früh geschieht, ist das Gestein also alt. Gesteinsproben wird die Mission GRAIL allerdings leider nicht liefern.

Hier noch ein kurzes NASA-Video, das die GRAIL-Mission vorstellt:



Quellen: 
'Big splat' may explain moon's mountainous far side
GRAIL and the Mystery of the Missing Moon 

3 Kommentare:

  1. Hey du :)
    Danke für den Artikel, er hat mir in meiner knapp bemessenen Zeit für Freizeitlesereien alle wesentlichen Punkte der GRAIL Mission ausreichend erklärt.

    LG ANke

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  2. Danke, das freut mich sehr! Ja, ich versuche es möglichst nie zu lang und kompliziert zu machen. Lang und kompliziert können andere besser :-)

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  3. Übrigens wurde der start von GRAIL auf Sonntag, den 10. September verschoben, so um die Mittagszeit (MESZ). Drücken wir die Daumen, dass es klappt. Hier noch die Quelle für diese Info: http://www.universetoday.com/88735/grail-unveiled-for-lunar-science-trek-reset-to-sept-10/

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