Winter ist, wenn zur besten Beobachtungszeit die Hyaden hoch am Himmel stehen. Das ist zwar nicht offiziell so, hat aber zumindest derzeit seine Berechtigung. Bei den Hyaden handelt es sich um eine Gruppe von circa 350 Sternen, die einen sogenannten Offenen Sternhaufen bilden, wobei unter idealen Sichtbedingungen nur etwa zwanzig Sterne mit bloßem Auge sichtbar sind. Die Hyaden dominieren das Sternbild Stier (Taurus). Sie bilden den V-förmigen Kopf des Stieres, dessen rotes Auge der Stern Aldebaran markiert. Dieser Stern überstrahlt mit seiner Helligkeit die Hyaden, da er nur in etwa halb so weit entfernt ist. Er gehört also nicht zu dem Sternhaufen, sondern liegt einfach nur auf der Sichtlinie.
Die alten Römer nannten den Sternhaufen Sidus Hyantis, also das Regen bringende Gestirn oder Regengestirn. Letztere Bezeichnung ist auch heute noch geläufig, Schneegestirn hingegen ist eine reine Erfindung von mir. Der Name Regengestirn ist durchaus treffend, denn mit dem abendlichen Aufgang der Hyaden beginnt die schmuddelige Jahreszeit. Bei den Griechen stehen die Hyaden für die Töchter des Titanen Atlas mit Aethra. Der schlimme Finger Atlas hatte mit einer anderen Frau, nämlich Pleione, noch weitere Töchter, die Plejaden. Man fragt sich, wie er bei so viel Töchterzeugung und -aufzucht noch dazu kam, dass Himmelsgewölbe hochzuhalten. Astronomisch gesehen handelt es sich bei den Plejaden ebenfalls um einen Offenen Sternhaufen. Die Atlas-Töchter sind also fein säuberlich nach Gattin jeweils in Haufen getrennt.
Die antike Vorstellung von Schwestersternen kommt der Realität sehr nahe. Tatsächlich handelt es sich bei Offenen Sternhaufen um Sterne, die aus derselben Gas- und Staubwolke entstanden sind. Diese Viellingsgeburt soll bei den Hyaden vor circa 625 Millionen Jahren stattgefunden haben. Das klingt nach viel, doch verglichen mit unsere Sonne und ihrem Alter von 4,6 Milliarden Jahren sind die Sterne in den Offenen Sternhaufen recht jung. Da sich im Laufe der Zeit die Haufen auflösen, findet man keine Offenen Sternhaufen mit richtig alten Sternen. Wie man auf so eine Altersschätzung kommt und weitere interessante Hintergründe bietet der leicht verständliche Artikel Von den Hyaden, Plejaden und anderen Sternhaufen auf astronomie.de.
Dass Sterne keine Einzelkinder sind, sondern in solchen Vielfachgeburten entstehen, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Sterngeschwister stehen nicht nur räumlich nahe beinander, sie bewegen sich auch gemeinsam relativ zum Fixsternhimmel, sie bilden eine sogenannte Bewegunsgruppe. Wie Schienenstränge, die am Horizont zusammenlaufen, verkleinern sich dabei für uns perspektivisch die Abstände zwischen den Haufenmitgliedern. Die Hyaden schrumpfen sozusagen auf einen Punkt, den Konvergenzpunkt, zusammen. Dieser Punkt liegt in der Nähe des Sterns Betelgeuse im Sternbild Orion. Dabei hat dieser Bewegungshaufen die größte Nähe zur Sonne und damit seine größte Ausdehnung am Nachthimmel schon gehabt, vor circa 800.000 Jahren.
Die Hyaden bilden mit einer Entfernung von 151 Lichtjahren den nächstgelegenen Sternhaufen. Okay, nicht ganz: Die Ursa-Major -Gruppe (Bärenstrom), zu der ein paar prominente Sterne aus dem Großen Wagen gehören, liegt näher. Doch ist diese Gruppe über einen großen Bereich des Himmels verteilt und nicht so schön geschlossen, wie die Hyaden.
Wenn also das Tief Daisy erstmal verschwindet und den Blick auf den Himmel wieder frei gibt, wird hoffentlich jeder Aldebaran und das Hyaden-V bemerken - und vielleicht liegt dann ja sogar noch Schnee.
Weitere Linktipps und Quellenangabe: The Raining Stars und Das Regengestirn
Die Bilder wurden mit Stellarium erzeugt.
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