Zweiter sein

Das Bild des Jahrhunderts: Edwin Aldrin auf dem Mond, fotografiert von seinem Apollo-11-Kommandanten Neil Armstrong, der sich als weißer Fleck im Visier spiegelt. Credit: NASA

Man kennt das von der Olympiade: Drei Leute stehen auf dem Treppchen, aber nicht alle erleben den Glücksmoment mit derselben Intensität. Richtig happy ist natürlich der Gewinner der Goldmedaille. Nun könnte man meinen, dass der zweite Sieger glücklicher ist als der dritte, dem ist aber meist nicht so. Der Gewinner der Bronzemedaille ist oft überschwenglich glücklich, weil er es überhaupt noch auf das Treppchen geschafft hat. Der Sportler vor ihm hat dagegen oft gemischte Gefühle, denn viel hat ihm ja nicht zur Goldmedaille gefehlt, also was ist seine Silbermedaille wert?

So ähnlich erging es wohl auch Edwin "Buzz" Aldrin. Er war als Mitglied der Apollo-11-Mission nicht der erste, sonden der zweite Mann auf dem Mond. Dieses "second man on the moon" haftet ihm so sehr an, dass diese Eigenschaft sogar bei seinem Auftritt in der Fernsehserie The Simpsons extra betont wird: "But you know, second comes right after first", betont er dort als gelbe Comicfigur - ein running gag der Raumfahrtgeschichte. Sein Apollo-11-Kollege Michael Collins bemerkt über Edwin Aldrin in seinem Buch Carrying the Fire:
"Ich denke, er ärgerte sich mehr darüber, nicht der erste Mann auf dem Mond gewesen zu sein, als dass er es genießen kann, der zweite gewesen zu sein."
Wir normale Menschen mögen uns darüber wundern und denken: Was solls, Haupsache zum Mond! Wir Normalos halten sozusagen den olympischen Geist 'Dabei sein ist alles' hoch. Leute wie Edwin Aldrin sind aber nicht normal, sondern ihr ganzes Leben lang gewohnt, Herausforderungen anzunehmen und zu gewinnen. So liest sich auch sein Lebenlauf bis zu Apollo: West Point, MIT, Kampfpilot im Koreakrieg mit zwei Abschüssen (leider weiß ich nicht, ob die gegnerischen Piloten dabei ums Leben kamen). Im Falle von Edwin Aldrin wird dieser Ehrgeiz von dessen Vater stark angetrieben, denn dieser lebte durch seinen einzigen Sohn ein zweites, aufregenderes Leben, obwohl er keine Ahnung von dem hatte, was sein Sohn so tat - ein Schicksal vieler Söhne. Rückblickend sagt Edwin Aldrin:
"Er begann ein Leben zu führen, das ganz davon abhing, was ich erreicht hatte. Und ich hatte das Gefühl: Schön, das ist wunderbar, aber er kennt sich da ja gar nicht aus, er versteht überhaupt nicht, was ich da tue. Und die eigene Existenz darf man doch nicht auf so etwas aufbauen."
Vor Apollo 11 war es üblich, dass bei Außenbordeinsätzen die Kommandanten im Raumschiff blieben. Zunächst sollte wohl auch bei Apollo 11 zuerst der Lunar Lander Pilot aussteigen, doch machte dann Neil Armstrong von seinem Vorrecht als Kommandant gebrauch. Die NASA lieferte Begründungen nach: Er sei näher an der Tür und könne besser mit Publicity umgehen. Edwin Aldrins Vater versuchte vergeblich hinter den Kulissen zu intervenieren, was die Beliebtheit seines Sohnes in Astronautenkreisen weiter sinken lies. Edwin Aldrin schien sich mit der Entscheidung abgefunden zu haben, was blieb ihm auch anderes übrig. Doch seine Rache sollte hinterhältig sein. Andrew Smith schreibt in seinem Buch Moonwalker - Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte:"Es gibt kein einziges Foto von Armstrong. Das einzige Bild des Kommandanten ist eine Spiegelung im Helmvisier Aldrins. Dabei forderte Armstrong seinen Untergebenen einmal sogar ausdrücklich auf, ihn zusammen mit einer Gedenkplakette aufzunehmen, die er gerade enthüllt hatte, der Pilot der Mondlandefähre blaffte jedoch nur vergnügt zurück, er sei gerade zu beschäftigt."Andrew Smith unterstellt ihm also Absicht. Anders als bei der Olympiade, bei der die Sieger die Bilder bestimmen, ist das Bild des zweiten Mannes auf dem Mond zur Ikone der Raumfahrt geworden.

Zurück auf der Erde stürzte Edwin Aldrin ersteinmal furchtbar ab. Der neununddreißigjährige Mondrückkehrer hatte nochmal so viel Leben vor sich, wie bis zu Apollo 11, aber doch schon alles erreicht. Dieses Loch tat sich für Edwin Aldrin völlig unvorbereitet auf, mit der Folge: Depressionen, Alkoholsucht und Ehescheidungen. Für den krankhaft ergeizigen Piloten bot das zivile Leben kaum eine spannende Alternative.

Heute hat er diese Phase überwunden, auch indem er versucht, die Raumfahrt wieder aktiv voranzubringen. Anders als viele andere Ex-Astronauten, hat er bis heute nicht aufgehört Astronaut zu sein und ist daher auch sicherlich Amerikas beliebtester Apollo-Astronaut. So haben die Pixar-Studios die Figur Buzz Lightyear aus dem Film Toy Story nach ihm benannt. Edwin Aldrin, im NASA-Overall, nimmt es mit viel Humor:



Überhaupt keinen Spaß versteht er, wenn man an seinen Leistungen zweifelt. Die Spinner, die ernsthaft behaupten, die Mondlandung habe nie stattgefunden, sollten sich vor ihm in acht nehmen:




Das ist jetzt nicht politisch korrekt, aber ich finde seine Antwort sehr gut. Irgendwo hört es dann auch auf mit Toleranz und Höflichkeit, wenn Verschwörungstheoretikern die Astronauten privat auflauern, um sie zu provozieren.

Letztlich gewinnen ehrgeizige Leute wie Edwin Aldrin am Ende immer: Von Neil Armstrong gibt es keine Bilder, der Mondlandungsleugner hat ein blaues Auge und Buzz Lightyear, über den er sich zuerst sehr geärgert hatte, macht er am Ende des Videos klar, dass er der wahre Buzz ist.

Übrigens: Der Spitzname Buzz stammt von der etwas älteren Schwester Edwin Aldrins. Sie war als kleines Mädchen natürlich fasziniert von ihrem kleinen Bruder, doch hörte sich das Wort "brother" bei ihr immer wie "buzzer" an.

Literaturtipp: Andrew Smith: Moonwalker - Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte

2 Kommentare:

  1. Dass Armstrong und Aldrin noch leben behindert ihre Apotheose natürlich beträchtlich (und Aldrins YouTube-Videos sind da auch nicht besonders hilfreich)

    Aber in 1000 Jahren werden das die einzigen Menschen unserer Zeit sein, deren Namen noch bekannt sein werden. Und stehen werden sie neben solchen wie Marco Polo, Christoph Kolumbus oder Galileo Galilei.

    Und selbst wenn die drei vergessen sein sollten, an den ersten Mann auf dem Mond wird man sich immer erinnern ...

    Es sei denn die Bemannte Weltraumfahrt stellt sich als Irrweg heraus oder wir werden von einer Maschinenzivilisation abgelöst oder bekommen in der KiTa eine Gehirnwäsche verpasst die uns zu wertvollen Staatsbürgen und willenlosen Konsumenten macht oder sowas in der Art.

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  2. "Und selbst wenn die drei vergessen sein sollten, an den ersten Mann auf dem Mond wird man sich immer erinnern ... "

    Das sehe ich genauso. Ich glaube Neil Armstrong auch, weshalb er sich im Unterschied zu Buzz Aldrin erst gar nicht in so Situationen begibt, in denen er komisch erscheinen könnte.

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