Mondfinsternis im Blätterwald
Um der Finanzkrise und dem Einbruch der Konjunktur zu begegnen, öffnen die Finanzminister der Industriestaaten ihre Schatzkisten. Ein klassischer Fall solcher staatlicher Investition ist die Raumfahrt und es ist daher konsequent, das Thema einer rein deutschen Mondmission wieder ins Gespräch zu bringen. Genau dies taten die Tage der Koordinator der Bundesregierung für Luft und Raumfahrt, Peter Hintze, und auch der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner. Eine sachliche Meldung hierzu bietet beispielsweise Focus-Online: "Konjunkturprogramm Mond"
Als Argument führt Peter Hintze zweierlei an: Es wäre eine Subvention in dem für Deutschland so wichtigen Hochtechnologiebereich und andererseits auch eine Werbung für technische Berufe bei Jugendlichen und Studenten.
Ich kann leider nicht beurteilen, inwiefern Herr Hintze mit dem ersten Punkt recht hat und ob eine rein deutsche Mondmission nun der Wirtschaft mehr bringt, als beispielsweise die Aufstockung des deutschen Beitrags zur ESA. Schade ist nur, dass der deutschsprachige Journalismus dies offensichtlich auch nicht kann. Hartmut Wewetzer bemüht sich in seinem Kommentar Peters Mondfahrt für den Tagesspiegel immerhin noch um "gute Gründe für eine deutsche Mission zum Mond". Er betont: "in erster Linie geht es bei den heutigen Mondmissionen um pure Erkenntnis." Die pure Erkenntnis ist aber sicherlich nicht das, was die Chinesen, Inder und auch wieder Amerikaner zum Mond treibt. Es geht um Technologie, Prestige und auch um eine Art von Besitzanspruch: Nur die kommenden Generationen derjenigen Staaten, die aktiv Mondforschung betreiben haben einen Anspruch auf unseren Trabanten - das ist ähnlich wie mit der Antarktis.
Was nun die Raumfahrt der Gesellschaft nützt ist ein komplexes Thema, um so einfacher sind dagegen sind die Weltbilder der Studienräte gestrickt, die ihre unzähligen Ferientage gerne dazu nutzen unqualifizierte Kommentare abzugeben. Erst sollen die Dächer der Schulen repariert werden und die Finanzierung des Gesundheitswesen auf sichere Beine stehen und und und ... Es erstaunt mich immerwieder, wie ausgerechnet die Erkundung des Weltraums an die Voraussetzung angekoppelt wird, erstmal hier auf Erden eine paradiesische Welt zu schaffen. So als ob Kolumbus erst hätte lossegeln dürfen, wenn in Spanien alle Schulen saniert sind und alle Menschen kostenlose medizinische Leistungen der Spitzenklasse erfahren. Um es passenderweise mit einem abgewandelten Indianerwort zu sagen: Erst wenn die letze Schule saniert, die letze Krankenkasse gesundet und die letzte Rente gesichert ist, werdet ihr zum Mond reisen dürfen. Also nie! Denn man kann ja Schulen immer weiter sanieren und medizinische Leistungen immer weiter subventionieren und Renten werden nie sicher sein.
Der absolut negative Höhepunkt in der Rezension des Hintz'schen Vorschlags liefert Welt-Online Der Herr gibt, der Herr nimmt: Peter Hintze. Hier wird nicht nur Herr Hintze persönlich beleidigt, sondern sein Vorschlag auch noch in einen Topf mit den Agrarsubventionen der EU gesteckt. An Dümmlichkeit ist das nicht mehr zu überbieten. Wohlgemerkt schreibt dies kein Studienrat, der aus schierer Verzweiflung ob ewiger Langeweile Nachrichten kommentiert, sondern ein Mensch, der für das Schreiben bezahlt(!) wird.
Ein Punkt im Vorschlag von Peter Hintze verdient Beachtung: Die technische Inspiration der Jugend. Natürlich wäre es schön, wenn im Rahmen des Konjunkturprogramms die ein oder andere Schule saniert oder das ein oder andere Schlagloch auf den Straßen gestopft wird. Natürlich hören wir es ja nicht ungern, wenn die Politiker uns zum Konsum auffordern: Hurra, endlich shoppen gehen für einen guten Zweck! Aber das alles wiegt nicht so viel, wie die Faszination etwas zu erreichen, was bisher nicht gelang. Wenn es Deutschland gelänge aus eigener Kraft zum Mond zu fliegen, würde dies den Glauben an die Stärke und Möglichkeiten unserer Gesellschaft stärken. Das ist wie die Apollo-Euphorie: Wenn wir zum Mond fliegen können, können wir alle anderen Probleme auch lösen. Noch besser fände ich es allerdings, wenn dies ein europäisches Projekt wäre, denn gerade in der Diskussion um Konjunkturprogramme erleben wir eine merkwürdige Rückkehr der Nationalstaaterei.
Peter Ehrlich lobt in seinem Beitrag "Punkt, Punkt, Komma, Strich..." für die Financial Times Deutschland ausdrücklich den Vorstoß von Peter Hintze, weil dieser Vorschlag etwas Neues in die Debatte um das Konjunkturprogramm eingebracht zu haben. Leider ist der Vorstoß aber mit den immergleichen Sprüchen vorzeitig zum Stillstand gekommen. Die Chance für eine breite öffentliche Diskussion über Forschungsförderung und Raumfahrt wurde von den Journalisten verpennt - oder vielleicht doch nur auf nächstes Jahr verschoben?
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Das mit Kolumbus ist ein echter Punkt; je grösser die Probleme hier werden um so mehr Sinn macht es, zum Mond zu fliegen. Wenn aber dieser Hintze für irgendwas ist, dann lohnt es sich erfahrungsgemäss immer zu überlegen, ob man nicht besser dagegen ist. Wahrscheinlich macht der sowieso nur Lobbyarbeit und will irgendwem irgendwas zuschanzen, und es geht garnicht darum 'wirklich' zum Mond zu fliegen.
AntwortenLöschenMit der damaligen Streichung des Projekts ist der Beweis für die fehlende Leistungsbereitschaft dieser Gesellschaft wohl schon erbracht. Ob man es könnte wenn man es wirklich wollte ist dann nur noch eine akademische Frage.