Artemis: Zum Mond reisen, um zu bleiben

Der Mond ist längst wieder im Fokus der Raumfahrt. Galt noch um die Jahrtausendwende der Flug zum Mars als das ultimative Menschheitsprojekt, entwickeln die Raumfahrtagenturen Strategien für eine erneute Landung auf den Erdtrabanten.

Der Mond ist so groß, dass er als Planet durchgehen würde, wäre er nicht an die Erde gebunden. Er erreicht über ein Viertel des Erddurchmessers, weshalb man von einem Doppelplanetensystem reden kann. Der Erdmond ist der fünftgrößte Begleiter eines Planeten in unserem Sonnensystem. Er spielt in der Klasse der vier großen Galilei’schen Monde des Jupiters, wäre beim Saturn der zweitgrößte Mond nach Titan und ist größer als jeder Mond, den Uranus und Neptun aufbieten können. Der Mond ist ein Geschenk des Himmels.

Astronaut Buzz Aldrin fotografiert von Neil Armstrong, Apollo 11, 1969. Credit: NASA

Nachdem im Jahre 1972 zum letzten Mal Menschen auf dem Mond landeten schien es nur folgerichtig, dass der nächste große Schritt der Menschheit auf dem Mars stattfinden sollte. Doch gibt es gute Argumente, das viel näher gelegene Ziel Mond anzuvisieren. Hier sollen ein paar gute Gründe genannt werden:

Die Mondlandung ist wieder eine Herausforderung 

Im Jahre 2019 feiern wir das fünfzigjährige Jubiläum der ersten Landung auf dem Mond im Rahmen des US-amerikanischen Apollo-Programms. Von den insgesamt zwölf gelandeten Apollo-Astronauten sind derzeit noch vier am Leben. Bald sind wir wieder so weit wie vor dem Jahr 1969 und es gibt auf der Erde keinen einzigen lebenden Menschen mehr, der schon einmal auf dem Mond war.

Diesem Verlust an persönlicher Erfahrung und authentischer Erzählung von der Reise zum Mond geht einher mit dem allmählichen Verschwinden des technischen Knowhows. Nicht nur die Astronauten sterben, sondern auch die Ingenieure. Möglicherweise stehen wir eines Tages ähnlich ratlos vor dem Apollo-Programm wie vor den Pyramiden von Gizeh.

Umgekehrt bedeutet dies, dass die Ingenieure von heute neuen Techniken für einen Mondflug mit den heutigen Standards entwickeln und erproben müssen. Eine erneute Mondlandung wäre also nicht einfach eine Wiederholung des Altbekannten, sondern eine große Tat und ein großes Erlebnis einer neuen Generation.

Der Mensch ist verwundbar 

Die Internationale Raumstation (ISS) ist seit zwanzig Jahren im All. Da sie in nur rund 400 Kilometern Höhe um die Erde kreist, hat sie uns den Mars kein Stückchen nähergebracht. Doch befinden sich dank der ISS seit dem 2. November 2000 permanent Menschen im Weltall. Im Vergleich zu einem Aufenthalt auf der ISS war jede Mission des Apollo-Programms nur ein kurzer Ausflug. Wir wissen nun, welchen Sport Astronauten betreiben müssen, welche Nahrung bekömmlich ist und vieles mehr, was für einen Langzeitaufenthalt im Weltall notwendig ist, um Astronauten gesund und bei Laune zu halten. Vor allem wissen wir nun, wie gefährlich eine zweijährige Reise zum Mars für die Gesundheit der Astronauten ist. In der Raumfahrteuphorie der Sechzigerjahre hatte man von all dem keine echte Vorstellung.

Von der ISS können die Astronauten mit einer Rettungskapsel in wenigen Stunden geborgen werden. Vom Mond benötigt die Evakuierung eines verletzten Astronauten wenige Tage. Wer zum Mars fliegt, ist aber ganz auf sich allein gestellt. Entsprechend groß wäre die Anforderung an ein Marsraumschiff, wenn man die Gesundheit der Astronauten garantieren möchte.

Nachhaltigkeit: Kommen, um zu bleiben 

Das Apollo-Programm war darauf ausgerichtet, bis zum Ende der Dekade einen Menschen auf den Mond zu schicken und sicher zurückzubringen. Es ging um die Erstleistung, mit der man den Systemgegner Sowjetunion vorführen wollte. Nachdem dies gelang, verlor das Programm schnell den politischen Rückhalt. Nun stehen auf dem Mond drei Autos, die niemand mehr fährt, sechs Abstiegsstufen mit allerlei Ausrüstung, die niemandem etwas nützt.

Moderne Konzepte für die Rückkehr zum Mond sind auf Nachhaltigkeit angelegt. Statt an verschiedenen Stellen zu landen soll jede neue Landung die Arbeiten der jeweiligen Vorgängermissionen nutzen. So soll eine Infrastruktur aufgebaut werden, die ab einer bestimmten Ausbaustufe den Langzeitaufenthalt erlaubt – ein bisschen so, wie man es von der Polarforschung kennt. Wichtig ist dafür vor allem die konsequente Nutzung der Ressourcen vor Ort.

Entwurf einer Mondstation mit einer schützenden Hülle aus Ziegel, die vor Ort aus Mondstaub gewonnen werden sollen. Credit: ESA/Foster + Partners

Nach der Vorstellung der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA soll der notwendige Schutzbau einer Mondstation mit Hilfe von Robotern direkt aus den Rohstoffen des Mondes im 3D-Druckverfahren hergestellt werden. Eine an den Polen des Mondes aufgebaute Station könnte nahezu kontinuierlich Sonnenenergie gewinnen. Da die Rotationsachse des Mondes fast senkrecht auf der Ekliptik steht, wird es dort nie dunkel.

Aber es kommt noch besser: Seit der Mission des Mondorbiters Clementine der NASA im Jahre 1995 wissen wir, dass es Wasser auf dem Mond gibt – und das praktischerweise auch an den Mondpolen. Während Berge an den Polen ständig im Sonnenlicht baden, gelangt das Licht nie in die benachbarten tiefen Krater. Hier konnte sich Eis aus Kometeneinschlägen bis heute halten. Wasser ist das Wundermittel der Raumfahrt: Man kann es trinken oder elektrolytisch in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Dieses Gasgemisch kann als Raketentreibstoff dienen oder in einer Brennstoffzelle wieder zur Stromgewinnung genutzt werden. Außerdem schützt Wasser vor hochenergetischer Teilchenstrahlung, wie zum Beispiel dem Sonnenwind.

Neue Mitspieler: Die NASA ist nicht mehr allein 

So erfolgreich die Sowjetunion mit unbemannten Landegeräten und sogar Missionen zur Rückführung von Gesteinsproben war, mit dem Apollo-Programm der NASA konnten sie nicht mithalten. Umgekehrt fehlte der amerikanischen Raumfahrtpolitik bald der Konkurrent, der weitere Anstrengungen erforderlich machte. Das hat sich nun geändert. Derzeit befindet sich die chinesische Mission Chang’e 4 auf dem Mond. Diese besteht aus einem Lander und dem Rover Yutu-2.

Chinesischer Mondrover Yutu im Mare Imbrium, fotografiert vom Lander Chang’e 3. Credit: Credit: Chinese Academy of Sciences/NAOC/Science and Application Center for Moon and Deepspace Exploration
 
Das sensationelle daran ist, dass Chang’e 4 auf der erdabgewandten Seite des Mondes gelandet ist. Das ist eine Leistung, die auch der NASA noch nicht gelang. Das Problem ist der Funkschatten des Mondes, der jegliche Kommunikation mit dem Raumfahrzeug verhindert. Die Chinesen haben dafür am sogenannten L2-Punkt des Erde-Mond-Systems einen Satelliten platziert, der die Verbindung zu Chang’e 4 herstellt. Wir wissen nicht viel über die Rückseite des Mondes. Das wird sich jetzt ändern.
Übrigens ist der Funkschatten auch der Grund, warum Radioastronomen von einem Teleskop auf der fernen Seite des Mondes träumen.

Im Jahre 2030 soll der erste Taikonaut – so nennt man chinesische Astronauten – den Mond betreten. Dafür entwickelt China derzeit eine Rakete, die Langer Marsch 9 genannt wird. Sie soll größer und leistungsstärker als die Saturn-V-Rakete des Apollo-Programms werden. Das definierte Ziel der Chinesen ist eine bemannte Mondbasis.

Nicht nur die Chinesen haben ehrgeizige Pläne, auch kleinere Raumfahrtnationen sind vorne mit dabei. So hatte die indische Raumfahrbehörde ISRO bereits im Jahre 2008 mit Chandraayan-1 einen Mondorbiter gestartet. Auch dieser konnte Wasser nachweisen. In diesem Jahr soll die Nachfolgemission Chandraayan-2 das Wasservorkommen näher untersuchen. Chandraayan-2 ist mit einem Gewicht von 3.850 Kilogramm ein sehr ambitioniertes Projekt, das aus Orbiter, Lander und Rover besteht. Mit 70° südlicher Breite ist die geplante Landestelle schon relativ nahe am Südpol. China und Indien sind nur zwei Beispiele für Raumfahrtnationen, die es in der Apollo-Ära gar nicht gab. Weitere Länder mit lunaren Ambitionen sind Israel, Japan und Südkorea.

Mit privatem Geld zum Mond 

Noch gar nicht erwähnt wurden bislang die Mondträume der Technologie-Milliardäre. Statt sich eine weitere goldene Badewanne zu kaufen stecken die Superreichen der Technologiebranche ihr Geld in die Verwirklichung ihrer Kindheitsträume vom Flug zu Mond oder Mars. Die bekannteste, weil schillerndste Figur ist Elon Musk. Die Dragon-Raumschiffe seines kalifornischen Unternehmens SpaceX fliegen bereits routiniert die Raumstation ISS an – bis jetzt noch unbemannt.

Ein Dragon-Raumtransporter der Firma SpaceX wird vom Roboterarm der ISS gehalten und an die Lutschleuse geführt. Credit: NASA


Bislang war Elon Musk eher für seine hochtrabenden Marspläne bekannt, doch soll es auch für SpaceX nun zuerst zum Mond gehen. Er will im Jahre 2023 ein bemanntes Raumschiff zum Mond schicken, das zwar nicht landen, aber den Mond umkreisen soll. Es wäre eine Wiederholung der Apollo-8-Mission aus dem Jahre 1968. Im Unterschied zu damals würde aber dieses Mal die Besatzung nicht aus todesmutigen Jetpiloten bestehen. Der japanische Milliardär Yusaku Meazawa hat das Ticket bezahlt und will mit einer Handvoll Künstler die etwa einwöchige Reise antreten, in der Hoffnung, dass Künstler besser von ihrer Mondfahrt berichten könne, als die wortkargen Haudegen der frühen Raumfahrtjahre (2). Dass diese gefährliche Reise mit Touristen statt ausgebildeten Piloten durchgeführt werden soll, zeigt, dass die neuen Reisen zum Mond mit modernerer Technik von statten gehen wird, als sie in den Sechzigerjahren zur Verfügung stand.

Viel geheimnisvoller dagegen sind die Pläne des reichsten Mannes der Welt. Jeff Bezos, dank der Gründung von Amazon sehr reich geworden, schießt jedes Jahr eine Milliarde Dollar in sein Unternehmen Blue Origin (3). Sein erklärtes Ziel ist der Mond. Wie bei SpaceX beherrscht man auch bei Blue Origin die Wiederverwendbarkeit der Raketen – eine Technik, die sich möglicherweise erheblich auf die Kosten auswirken wird. Wohin Elon Musk, Jeff Bezos und andere private Investoren der Raumfahrt mit ihren Raketen fliegen wollen, bleibt aber letztlich immer ungewiss; anders als staatliche Behörden sind sie zu keiner Auskunft verpflichtet. Ihr Geschäftsmodell besteht aber natürlich auch darin, der NASA ihre Dienstleitungen zu verkaufen, so wie das bei den Dragon-Frachtern zur ISS bereits heute geschieht. Die Zeiten, in der eine staatliche Behörde ein Raumfahrprogramm mit der gesamten Hardware von der Pike auf konzipiert sind zumindest in den USA möglicherweise bereits vorbei.

Der Roman zur Besiedlung des Mondes: Artemis von Andy Weir 

Jasmine Bashara, genannt Jazz, ist ein echtes Mondkind, geboren und aufgewachsen in Artemis. Diese Stadt auf dem Mond besteht aus fünf miteinander verbundenen Aluminiumkugeln. Die Kugeln sind tief in den Mond eingegraben, so dass nur große Kuppeln über den Boden hinausragen. Für Jazz ist dies die naturgegebene Umwelt ihrer Kindheit. Sie kennt nichts anderes. Ein Besuch auf der Erde wäre nur mit lästiger Anpassung an die sechsmal höhere Schwerkraft verbunden.

Umgekehrt jedoch ist der Besuch von Artemis für Erdbewohner ein echtes Vergnügen und so ist Tourismus die Haupteinnahmequelle dieser zweitausend Einwohner zählenden Stadt. In der Aldrin-Kuppel – alle Kuppeln sind nach Apollo-Astronauten benannt – finden diese Touristen alles, was sie für einen unbeschwerten Aufenthalt benötigen. Dazu gehört ein künstlich angelegter Park unter einer Kuppel aus Glas, der einzige Ort, an dem man nach draußen sehen kann. Wer will kann mit dem Zug in das vierzig Kilometer entfernte Apollo-11-Besucherzentrum fahren. Hier kann man kitschige Apollo-Souvenirs erstehen und den echten Apollo-11-Landeplatz durch ein großes Glasfenster bewundern.

Für ein paar Slugs mehr, ist auch ein Mondspaziergang um die Landestelle in speziellen Hamsterrädern möglich. Hamsterräder sind durchsichtige Plastikkugeln, in denen die Touristen auf der Mondoberfläche rollen können. Das ist einfacher und bequemer als in den komplizierten Raumanzügen der Astronauten. Außerdem können die Touristen durch ihre Hamsterräder nichts anfassen und somit auch kein Stück Apollo-Lander als Mitbringsel abbrechen.

Slug ist der Name der Währung auf Artemis. Genau genommen heißt sie SLG, was für Soft Landed Grams steht. Die Idee hinter der Währung ist sehr einleuchtend: 1000 SLG entsprechen so viele Euro, wie es kostet, ein Kilogramm Material zum Mond zu bringen. Wer eine Rakete baut, die weich auf dem Mond landen kann, erhält mit jedem Gramm, das er abliefert, einen Slug. Das erinnert nicht zufällig an den Goldrausch im amerikanischen Westen, bei dem durch Goldschürfen unmittelbar Geld erschaffen wurde. Artemis liegt nicht im Wilden Westen, ist aber doch eine Stadt im neu besiedelten Land, die Glücksritter anlockt und deren Exekutive noch unterentwickelt ist. Man hilft sich selbst.

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Die Mondstadt Artemis mit ihrer jungen Protagonistin Jazz ist eine Erfindung von Andy Weir. Diesem Autor gelang 2011 (in deutscher Übersetzung 2014) ein sagenhafter Erfolg mit seiner Geschichte um Mark Watney, der als Astronaut auf dem Mars gestrandet war und sich bis zu seiner Rettung als einziger Mensch auf dem roten Planeten durchschlagen musste. Das Buch Der Marsianer wurde nur wenige Jahre nach seinem Erscheinen von Ridley Scott verfilmt.

In seinem neuen Roman wendet sich Andy Weir nun also dem Mond zu, bleibt aber in vielen Dingen seinem Stil aus Der Marsianer treu. Auch Artemis spielt in einer nahen Zukunft und kommt ganz ohne exotische Sciencefiction-Technologie aus. Die Mondstadt Artemis könnte im Grunde so gebaut werden, wie der Autor sie beschreibt. Der bekennende Raumfahrtenthusiast Andy Weir hat auch für diesen Roman sehr aufwendige Recherchen betrieben. Es gibt wohl kaum einen anderen aktuellen Sciencefiction-Autor, dem der technisch-wissenschaftliche Hintergrund seiner Geschichten so sehr am Herzen liegt, wie Andy Weir. Daher ist der Roman Artemis ein Lesegenuss für alle an Raumfahrt und Astronomie interessierte Leser.

Wie schon der Roman Der Marsianer ist auch Artemis eine sehr stark handlungsgetriebene Geschichte. Als Leser sind wir ständig nahe bei der Protagonistin Jazz. Alles, was in der Geschichte geschieht, erfahren wir aus ihrer Ich-Perspektive quasi in Echtzeit. Die temporeiche Erzählweise kommt ohne lange dozierende Einschübe aus. Es gibt keine seitenlangen Beschreibungen der Geschichte und Funktionsweise von Artemis. Alle notwendigen Informationen ergeben sich aus der Handlung. Andy Weir hat diesbezüglich eine besondere Begabung. 
Er bedient sich dafür auch eines hübschen erzählerischen Tricks: Als Schülerin wurde Jazz aufgefordert eine Brieffreundschaft mit einem gleichaltrigen Jungen auf der Erde einzugehen. Jedes Kapitel endet mit Auszügen aus den Emails dieser beiden heranwachsenden Brieffreunde. So erfahren wir wieder in direkter Rede, wie es sich in dieser Zukunft anfühlt, auf dem Mond oder der Erde aufzuwachsen. Später wird aus diesem irdischen Brieffreund ein Geschäftspartner, der Jazz beim illegalen Schmuggeln begehrter Waren behilflich ist.

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Helden Mark Watney und Jasmine Bashira ist ihr völliges Desinteresse an der außergewöhnlichen Schönheit ihrer Umgebung. Der Marsianer Watney ist ganz mit Überleben beschäftigt. Jazz hingegen kennt als Mondkind nichts anderes als den Mond. Er ist für sie nichts besonders und daher gibt es keinen Grund in ihrer Ich-Erzählung seine Schönheit zu feiern - auch das macht Jazz zu einer authentischen Figur.

Die Bewohner von Artemis verdienen ihr Geld mit Tourismus. Doch gibt es auch eine Industrie vor den Toren der Mondstadt. In einer Schmelzanlage stellen die Artemisianer aus dem allgegenwärtigen Mineral Anorthosit fast alles her, was sie brauchen: Aluminium, Glas und Sauerstoff. Betrieben wir die Anlage mit Kernkraft – auch hier hält sich der Autor an altbekanntes. Das Unternehmen, das diese Anlage betreibt, versorgt die Stadt mit Sauerstoff im Tausch gegen die erforderliche Prozessenergie. Ein lukratives Geschäft, in das ein artemisansässiger Millionär gerne einsteigen würde. Da trifft er auf Jazz, eine junge Frau, die schon früh aus dem Leben gefallen ist und sich als Paketbote gerade so über Wasser hält. Sie ist bereit, für eine Verbesserung ihrer Situation ein krummes Ding zu drehen. So bekommt sie den Auftrag, die Anorthosit-Abbaumaschinen zu sabotieren, auf dass der Millionär mit seinen bereitstehenden Maschinen das Geschäft übernehmen kann. Etwas läuft schief und was Jazz nicht wusste, war, dass die Schmelzanlage längst Eigentum des organisierten Verbrechens ist. Für Jazz beginnt ein Versteckspiel vor deren Killern in der Mondstadt Artemis.

Der Roman Artemis ist im Kern also ein Krimi. Ihren besonderen Reiz bezieht die Geschichte aus den faszinierenden Eigentümlichkeiten einer Mondstadt, wie beispielsweise die geringe Gravitation, die ständige Abhängigkeit von Lebenserhaltungssystemen, der gefährliche Mondstaub, die Enge einer Stadt, die eher einer Raumstation gleicht. Außerdem schlägt Andy Weir einen Bogen zu der amerikanischen Erzähltradition der New Frontier. Das sind Geschichten vom Leben im weiten, unerschlossenen Land, in einer Gesellschaftsordnung, in der Zugehörigkeit und persönliches Arrangement mehr zählen als staatliche Ordnung.

Einen großen Unterschied zum Roman Der Marsianer ist besonders auffällig. Sein erstes Buch hat Andy Weir in Abschnitten geschrieben, die er in einem Blog online veröffentlichte. Er brachte Mark Watney immer wieder in ausweglose Situationen, aus denen er ihn dann mit der Hilfe seiner Leser befreien musste. Dadurch ist sein erster Roman episodenhaft angelegt. Die Handlung in Artemis hingegen ist sehr dicht konstruiert: alles geschieht aus einem Grund und trägt zum Fortgang der Story bei.
Artemis wird in die Kinos kommen. Da die Geschichte mit einer Stadt auf dem Mond größer angelegt ist, als die Geschichte des Marsianers in seinem kleinen Habitat, dürfen wir uns auf ein visuelles Erlebnis über das Leben auf unserem Erdtrabanten freuen!

Anmerkung: Dieser Rezension liegt die International Edition (ISBN 978-0-525-57266-4) zugrunde. Daher kann über die Qualität der deutschsprachigen Übersetzung nichts gesagt werden.

Fußnoten:

(1) Laut dem Beitrag „Zurück zum Mond – Renaissance im Weltraum“ erschienen in Space 2019, herausgegeben vom VfR e.V.
(2) Laut einer Meldung auf br.de vom 18.09.2018: „Japanischer Weltraumtourist soll mit SpaceX um den Mond fliegen“
(3) Laut dem Beitrag „Mit Amazon zum Mond“ erschienen in Space 2018, herausgegeben vom VfR e.V.

1 Kommentar:

  1. Hallo,
    Ich habe gerade deinen Blog gefunden und finde, dass du sehr interessante Beiträge schreibst! Dieser Beitrag hat mir sehr gefallen. Ich wusste noch gar nicht, dass Andy Weir ein neues Buch über den Mond geschrieben hat, Artemis klingt echt spannend und kommt bei mir auf die Leseliste! :D
    Insgesamt finde ich es cool, dass der Mond endlich wieder in den Fokus rückt. Mit einer Mondstation als Basis könnte man einfacher weiter entfernte Ziele erreichen oder sogar Raumschiffe im Orbit zusammenbauen um sich den riskanten Start auf der Erde zu ersparen. Ich hatte letztens auch ein Video der NASA gesehen, wo deutlich wurde, dass sie sich wieder für den Mond interessieren. Wenn die Chinesen ein Mondprogramm starten, werden sicherlich auch die anderen Nationen Interesse zeigen. Vielleicht kommt es wieder zu einem Weltraumrennen zwischen den Supernationen, wer weiß?
    LG, Tam von Tales from Centauri

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