Die fünf Rätsel des Merkur

Merkur, gesehen von der NASA-Sonde MESSENGER

Die europäische Raumfahrtagentur ESA ist derzeit mit der Mission BepiColombo auf dem Weg zum innersten Planeten unseres Sonnensystems. Der Start erfolgte bereits am 20 Oktober 2018, aber erst im Jahre 2025 wird die Raumsonde Merkur erreichen.

Unter dem Titel Top Five Mercury mysteries that BepiColombo will solve veröffentlicht die ESA fünf Rätsel, die der Merkur der Wissenschaft aufgibt. Hier eine kurze Zusammenfassung:

Wo ist Merkur entstanden?

Heute befindet sich der Planet Merkur sehr nahe an der Sonne. Der mittlere Abstand des Planeten von der Sonne beträgt 58 Millionen Kilometer, das sind etwa 40% der Entfernung unserer Erde von der Sonne. Auf der Oberfläche Merkurs kann es daher bis zu 430°C heiß werden!

Ein Planet, der so nahe an der Sonne entstanden ist, sollte nur wenige flüchtige Elemente enthalten, also chemische Elemente mit niedrigem Schmelzpunkt. Die Astronomen konnten mit der NASA-Raumsonde MESSENGER das Verhältnis der Häufigkeiten der Elemente Kalium zu Thorium bestimmen. Das Vorkommen von Thorium wird nur wenig von der Temperatur beeinflusst, während das leichtflüchtige Element Kalium in Sonnennähe eher selten vorkommen sollte. So hat die sonnennahe Venus ein kleineres Kalium/Thorium-Verhältnis als der weiter entfernte Planet Mars. Die Überraschung ist, dass bei Merkur ein ähnliches Kalium/Thorium-Verhältnis bestimmt wurde, wie beim Mars. Ist Merkur also in der Nähe der Marsbahn entstanden?

Wenn dem so wäre, wie kam Merkur dann an seinen heutigen Ort? Vielleicht wurde er durch eine Kollision mit einem anderen planetaren Körper aus seiner ursprünglichen Bahn geworfen. Solch eine Kollision könnte auch ein anderes Merkurrätsel lösen, nämlich den großen Kern im inneren des Planeten. Während der Kern unserer Erde lediglich 1.200 Kilometer durchmisst - bei einem Erdradius von 12.700 Kilometern - hat der Merkur einen 3.600 Kilometer großen Kern. Das sind 40% des Volumens dieses Planeten! Möglicherweise hat eine Kollision mit einem kleinen Planeten aus der Frühzeit unseres Sonnensystems den Merkur um einen Großteil seines Mantelgesteins beraubt und ihn dabei auch aus der Marsbahn geworfen.

Gibt es wirklich Wasser auf Merkur?

Wie kann es auf einen so heißen Himmelskörper wie Merkur Wasser geben? Die Achse unserer Erde ist um 23,5° gegenüber ihrer Umlaufbahn geneigt. Daher sind die Pole unserer Erde für jeweils ein halbes Jahr der Sonnenstrahlung ausgesetzt - man spricht folgerichtig vom Polartag. Der Merkur hingegen zeigt nur eine geringe Neigung seiner Achse gegenüber seiner Umlaufbahn um die Sonne. Daher kann keine Sonnenstrahlung in die tiefen Krater an den Polen gelangen und da es keine Atmosphäre gibt, wird auch keine heiße Luft zu den Polen transportiert. Genau in solchen Kratern könnte MESSENGER Wassereis gefunden haben. Eine Aufgabe von BepiColombo besteht darin, hier mehr Gewissheit zu schaffen.

Woher kommt dieses Eis? Einer weit verbreiteten Theorie nach wurde es durch Kometen eingetragen.

Ist Merkur lebendig?

Das ist eine komische Frage angesichts der lebensfeindlichen Umwelt auf Merkur. Tatsache aber ist, dass es auf Merkur Strukturen gibt, die auf explosiv austretendes Gas hinweisen. Diese Hollows (zu Deutsch etwa: Aushöhlungen, höhlenartige Mulden) genannten Strukturen sind geologisch sehr jung. Man hofft mit BepiColombo Veränderungen dieser Strukturen quasi live verfolgen zu können. Zumindest geologisch scheint Merkur lebendig sein.

In ihrem Artikel What are Mercury's hollows? beschreibt Emily Lakdawalla den Merkur-Krater Lermontov und seine verschiedenen Löcher:

Credit: NASA / JHUAPL / CIW


In dem 166 Kilometer durchmessenden Krater sehen wir kleinere Einschlagskrater, unregelmäßig geformte Krater vulkanischen Ursprungs mit rötlichen Ablagerungen und schließlich unzählige kleine, aber sehr helle Hollows.

Warum ist Merkur so dunkel?

Merkur ist sehr dunkel. Er ist der dunkelste aller Planeten unseres Sonnensystems. Sein Rückstrahlvermögen (Albedo) beträgt lediglich 0,096, das heißt nur 9,6% des einfallenden Sonnenlichts wird reflektiert. Diese Schwärze könnte ein Resultat der Hitze sein, die das Gestein entsprechend verändert. Eine andere Möglichkeit, die in der Wissenschaft diskutiert wird, wäre eine dünne Schicht aus Graphit.
Mit BepiColombo soll die mineralogische Zusammensetzung des Merkurgestein erforscht werden, so dass hier vielleicht Klarheit entsteht.

Wieso hat Merkur ein Magnetfeld?

Die letzte der fünf Fragen betrifft das globale Magnetfeld des Merkur. Seine bloße Existenz ist schon ein Rätsel, denn so einem kleinen Planeten steht gar kein Magnetfeld zu. Damit ein terrestrischer Planet ein globales Magnetfeld ausbilden kann, muss er im Inneren teilweise geschmolzen sein und schnell genug um seine Achse rotieren. Da der kleine Merkur aber wesentlich schneller auskühlen sollte, wie die viel größere Erde, sollte er in seinem Inneren eigentlich längst erstarrt sein.

Dass Merkur im Inneren teilweise flüssig ist, verrät er auch durch seine Reaktion auf die Gezeitenkräfte der Sonne. Der Merkur bewegt sich auf einer vergleichsweise stark elliptischen Umlaufbahn. Seine Nähe zur Sonne schwankt zwischen 46 und 70 Millionen Kilometern. Dadurch ändert sich die Stärke der Gezeitenkraft stark und damit auch die Spannungen auf den Planetenkörper. Der Boden des Merkur hebt und senkt sich um bis zu 14 Meter in diesem Prozess. Eine genauere Untersuchung dieser Dynamik ermöglicht es, Rückschlüsse auf das flüssige Innere Merkurs zu ziehen.

Bis zur Ankunft BepiColombos an Merkur müssen wir leider noch lange warten. Bis dahin wird die weitere Analyse der Daten der Raumsonde MESSENGER für neue Rätsel sorgen und manche der fünf Fragen vielleicht sogar beantworten.

Quelle: ESA

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