Wie die Sterne zu ihren Namen kamen

Das Universum ist voller Sterne: Aufnahme von Julian Zoller


Rund 5.000 Sterne sind unter besten Sichtbarkeitsbedingungen mit bloßem Auge zu sehen, aber nur wenige von ihnen tragen klangvolle Namen aus der klassischen Antike. Während die nördlichen Sternbilder, unsere Sonne, der Mond und die Planeten die Welt der babylonischen und römisch-griechischen Mythologien wiederspiegeln, wurden den einzelnen Sternen offensichtlich nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel, wie zum Beispiel die klassischen Sternnamen Antares und Sirius zeigen. Antares, der hellste Stern im Sternbild Skorpion, verdankt seinen Namen seiner farblichen Ähnlichkeit mit dem Mars (griechisch Ares). Antares ist aber nicht nur rötlich, sondern auch nahe der Ekliptik, so dass sich Ares und Antares gelegentlich begegnen. Sein Name bedeutet wohl so viel wie „Rivale des Mars“, vielleicht weil man sie gerne miteinander verwechselt.

Der Mangel an Eigennamen heller Sterne fiel wohl auch den Astronomen des arabischen Mittelalters auf, die das griechische Standardwerk der Astronomie in ihre Sprache übersetzen. Der Almagest des Claudius Ptolemaios (60 bis 140 n.Chr.) enthielt das astronomische Wissen seiner Zeit. Bei der Übertragung ins Arabische reicherten die Astronomen das Werk um zahlreiche Sternnamen an, die uns heute noch geläufig sind. Manche von ihnen sind leicht an der Vorsilbe „Al-“ zu erkennen, die einfach nur unserem Artikel „der“ entspricht: Aldebaran, Alderamin, Algol, Alnilam, Alphard sind Beispiele für diese Eigennamen. Aber auch die Eigennamen Enif und Deneb sind arabischen Ursprungs. Bei der Rückübersetzung des arabisch tradierten Almagest in das Gelehrtenlatein des spätmittelalterlichen Europas kam es zu unfreiwilligen Verballhornungen, denen wir so schöne Sternnamen wie Zubenelgenubi (die südliche Klaue des Skorpions) verdanken.
Leider sind die so tradierten Namen der Sterne weder eindeutig noch verbindlich. So wird der Stern, der die nordöstliche Ecke des Pegasus-Quadrat markiert, manchmal Alpheratz und manchmal Sirrah genannt.

Das Sternbild Andromeda aus dem Werk Uranometria von Johann Bayer. Der im Text angesprochene Stern Alpha Andromedae (Alpheratz, Sirrah) ist am linken Ohr der Prinzessin Andromeda zu sehen.


Einen bis heute nachwirkenden bedeutenden Schritt zu einer systematischen Bezeichnung der Sterne vollbrachte der Augsburger Jurist und Amateurastronom Johann Bayer (1572-1625). Er bezeichnet die Sterne nach dem Sternbild in dem sie stehen und gemäß der Abfolge ihrer Helligkeit mit griechischem Buchstaben. Der Stern Sirrah, bzw. Alpheratz heißt in dieser Bayer-Notation Alpha Andromedae, abgekürzt Alpha And.

Auch wenn es dank Johann Bayer und späteren Astronomen für jeden hellen Stern gleich mehrere systematische Namen gibt, wäre es doch sinnvoll, bei den wohlklingenden Eigennamen eine gewisse Verbindlichkeit herzustellen. Zuständig für diese Art himmlischer Systematik ist die Internationale Astronomische Union (IAU). Diese fachwissenschaftliche Organisation hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon einmal kräftig aufgeräumt, indem sie im Jahre 1928 exakt 88 Sternbilder mit festgelegten Grenzen als verbindlich erklärte und so den Wildwuchs an Sternbildern bändigte.

Im Mai 2016 veröffentlichte die IAU eine Liste mit 227 Sternen, die nun einen verbindlichen Eigennamen tragen.  Wichtige Kriterien die dabei Berücksichtigung fanden waren unter anderem: Es werden Namen aus einem Wort, statt Doppelnamen bevorzugt, die arabische Vorsilbe Al wird zum Namen dazu genommen (also zum Beispiel Alnath, statt Al Nath) und es dürfen keine Sterne nach Personen benannt werden. Für die letzte Regel gibt es übrigens eine lustige Ausnahme. Die Sterne Sualocin und Rotanev im Sternbild Delfin sind die rückwärts geschriebenen Namen des Astronomen Nicolaus Venator.

Das Sternbild Orion mit den Namen der hellsten Sterne aus dem Kosmos Himmelsjahr. Die beiden hellen Sterne Beteigeuze und Bellatrix markieren die Schultern, Rigel und Saiph die Knie des Himmelsjähgers. Auch die Gürtelsterne tragen Namen.


Natürlich wird man nicht von der Himmelspolizei verhaftet, wenn man einen Stern anders nennt, als von der IAU empfohlen. So wird man den hellen Stern in der Schulter des Orion im deutschsprachigen Raum wohl weiter Beteigeuze nennen, statt wie international üblich Betelgeuse (siehe auch die Sternkarte oben). Im deutschen Schriftgebrauch ist auch die Verwendung des Buchstaben K üblicher, als das C, weshalb wir wohl weiter auf Deutsch Kapella, Kanopus und Kastor schreiben, anstatt Capella, Canopus und Castor.

Anbei eine kleine Auswahl an nun offiziellen Eigennamen der Sterne mit ihrer Bezeichnung in Bayer-Notation und Varianten, die wohl nicht auszumerzen sind:


IAU Empfehlung
Variante
Bayer-Notation
Alkaid
Benetnasch
Eta UMa
Alpheratz
Sirrah
Alpha And
Altair
Atair
Alpha Aql
Arcturus
Arktur
Alpha Boo
Elnath
Alnath
Beta Tau
Rigil Kentaurus
Toliman
Alpha Cen
Vega
Wega
Alpha Lyr

Das Problem der Namensfindung betraf bisher nur helle Sterne. Es gibt aber auch Sterne, die nicht aufgrund ihrer Helligkeit interessant sind, sondern wegen ihrer Astrophysik oder anderer Geheimnisse, die sie verbergen. Dazu gehören auch diejenigen Sterne, um die ein Planet nachgewiesen wurde. Es wäre doch schade, wenn wir für diese Exoplaneten nicht schöne Namen finden würden. Dann müssten wir im Zuge ihrer weiteren Erforschung nicht immer nur spröde Katalogbezeichnungen verwenden. Die Zahl der Exoplaneten geht allerdings in die Tausende, so dass es schlicht nicht möglich ist, sie alle zu benennen.

Im Zuge der Feuerlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen der IAU haben sich die Astronomen daher etwas besonderes einfallen lassen: Jeder Mitgliedstaat der IAU bekam einem Stern mit einem Exoplaneten zugeordnet, für die dieses Land Namen vorschlagen durfte. Deutschland bekam den vierhundert Lichtjahre entfernten Stern HD 32518 im Sternbild Giraffe zugeschrieben. In einem Wettbewerb gewann der Vorschlag einer Schulklasse aus Neckargmünd bei Heidelberg: Mago soll der Stern heißen und sein nachgewiesener Planet Neri. Das klingt merkwürdig, hat aber einen schlauen Hintergrund: Mago ist ein Nationalpark in Äthiopien, durch den der Fluss Neri fließt. Der Nationalpark dient unter anderem dem Schutz der Giraffen, in dessen Sternbild sich wiederum der Stern Mago befindet.
Die Österreicher machten es sich leichter. Dank ihnen heißt der Stern HD 32518 und sein Planet nun Franz und Sissi.
Die Namensgebung der Australier steht für einen aktuellen Trend in der Benennung von Himmelsobjekten, der darin besteht, von Namen aus europäischer Tradition wegzukommen. Dank der Australier heißt der Stern HD 38283 nun YanYan und sein Planet Bubup – beides Wörter aus der Sprache der Aboriginies.

Wie bereits gesagt bleibt es jedem überlassen Sterne nach eigenem Geschmack zu benennen. Für den Austausch über Ländergrenzen hinweg ist ein gewissen Maß an Verbindlichkeit aber sicherlich kein Fehler.

Quellen: 

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