Das jeweils bekannte Universum

Martin Waldseemüller ist vielleicht die unbekannteste Berühmtheit meiner Heimatstadt Freiburg im Breisgau. So um 1470 geboren studierte er an der dortigen Universität Mathematik und Geographie und freundete sich mit dem Elsässer Matthias Ringmann an. Mit ihm zusammen zog er ein paar Kilometer westwärts nach Saint-Dié-des-Vosges um dort als Professor unter anderem Kosmologie und Kartografie zu unterrichten. Viel rumgekommen ist er also nicht, doch die geographische Verfasstheit der Welt hat ihn offensichtlich fasziniert. So schrieb er ein Buch über den italienischen Seefahrer Amerigo Vespucci und verfasste zusammen mit Matthias Ringmann ein bedeutendes Werk, das im Stile der damaligen Zeit einen langen Titel hatte: "Die vollständige Kosmografie nach der Überlieferung des Ptolemäus und nach Amerigo Vespucci sowie nach anderen Abbildungen"



Dieses Werk bestand aus einem Globus, einer Weltkarte und einer Beischrift - ein Booklet, wie wir heute sagen würden. Auf dieser Karte wird die neue Welt erstmalig zu Ehren des Seefahrers Amerika genannt. Vermutlich geschah dies aufgrund eines Irrtums. Columbus war zu seiner Lebzeit nicht so berühmt, wie wir das heute glauben würden (schon damals war nur bekannt, wer publiziert). So trägt die neue Welt nicht den Namen seines Entdeckers, sondern den Namen desjenigen, der wohl als erster kapierte, dass es wirklich eine neue Welt ist - und das ist doch auch schön.

Diese nette Geschichte, wie ein Freiburger einen ganzen Kontinent benannte, wollte ich schon immer mal hier erzählen und zwar nicht nur, weil sie nett ist, sondern zum einen, weil ich es faszinierend finde, wie die naheliegende Frage wo auf unserer Welt was ist, im Laufe der Geschichte behandelt wurde. Siehe dazu auch der Literaturtipp: Der mittelalterliche Kosmos.

Zum anderen sind wir aber durchaus in einer ähnlichen Situation wie Martin Waldseemüller. Unser Wissen über den Aufbau der Welt verdanken wir nicht eigener Anschauung und Reisen. Selbst die euphorisch Stern- oder gar Kosmosfahrer genannten Nachfahren Amerigo Vespuccis kommen ja nicht weit. Verkleinert man nämlich die Sonne auf die Größe einer ordentlichen Grapefruit (Maßstab 1:10 Milliarden), befindet sich die Erde in fünfzehn Metern Abstand und hat gerade mal die Größe eines Kügelchens, vergleichbar dem in der Spitze eines Kugelschreibers. Der Mond ist in diesem Maßstab nicht mehr zu sehen, sein Orbit aber mit der Handfläche leicht abzudecken. Diese knapp vier Zentimer sind es, die wir bisher bereist haben, wo hingegen der nächste Stern in diesem Maßstab 4400 Kilometer weit entfernt steht. So viel zum Thema "Astro"nauten.

Dennoch machen wir es wie weiland Martin Waldeemüller und entwerfen eine Karte vom Aufbau des Universums und träumen uns dahin. Diese ganze Vorgeschichte halte ich für notwendig, um das folgende Video würdigen zu können, das einen faszinierenden Flug durch das bekannte Universum zeigt. Wir haben keine Garantie, dass dieses Video ebenfalls mal in einer Videosammlung mit dem Namen "Der mittelalterliche Kosmos" landet und unsere Ururururenkel sich darüber amüsieren. Das verbindet dieses Video mit der Karte von Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann, es ist das Beste, was wir derzeit haben. In Anlehung an Waldseemüller könnte man das Video nennen: "Die vollständige Kosmografie nach der Überlieferung der weisen und hochgelehrten Astronomen und tapferen Raumfahrer sowie nach anderen Abbildungen"



Quelle: Wikipedia-Eintrag zu Martin Waldseemüller, lesenswerter SWR-Beitrag: Wie Amerika zu seinem Namen kam

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