Sisyphos unheimliche Begegnung mit dem Mond

Gestern habe ich in dem Beitrag Mondkunst und alberne NASA den Lunar Art Contest erwähnt, heute geht es um den Meister aller Mondmaler, den Astronauten Alan Bean. Er hat den großen Vorteil, wirklich auf dem Mond gewesen zu sein. Eingesetzt als Lunar Lander Pilot von Apollo 12 betrat er am 19. November 1969 nach seinem genialen Kommandanten Charles "Pete" Conrad als vierter Mensch den Mond. Danach war er noch eine Weile für die NASA tätig, flog zum Beispiel auf die amerikanische Weltraumstation Skylab, doch schied auch er noch vor der Rente aus der NASA aus, um sich ganz seiner Leidenschaft zu widmen, nämlich der Malerei.

Während des Aufenthalts von Apollo 12 wurde die Kamera beschädigt, so dass es kaum Aufnahmen von dieser Apollo-Mission gibt und man meinen könnte, Alan Bean versucht mit seiner Malerei eine Art Wiedergutmachung. Tatsächlich dient ihm seine künstlerische Tätigkeit dazu, diesen großartigsten Tag in seinem Leben immer wieder neu nachzuspüren. Die Zeit auf dem Mond war mit zu viel Aufregung und Tätigkeit gefüllt, kein Moment, in dem der Astronaut reflektierend innehalten konnte, um die außergewöhnlichen Situation auf sich wirken zu lassen. Alles ging zu schnell und seine Bilder fangen die verlorene Zeit nun wieder ein. So zumindest ist der Tenor der Beschreibung Alan Beans in dem Buch Moonwalker - Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte von Andrew Smith. In den eigenen Worten Alan Beans klingt das so:
Our time on the Moon ended much too quickly and, in the years since then, I have created paintings to try to capture the feeling of our Apollo 12 mission, as well as all the other the Apollo missions, too. It's my hope that these paintings will help other people share in the great adventure.
Die Bilder Alan Beans kann man sich auf seiner sehenswerten Internetseite anschauen: The Alan Bean Gallery.
Dabei portraitiert Alan Bean nicht nur die eigenen Mission, wie dieses Bild mit dem Titel First Men - Buzz Aldrin zeigt.


Dieses Bild zeigt auch die Experimentierfreude Alan Beans, denn so wie Buzz Aldrin unter anderem für sein Foto von seinem Stiefelabdruck im Mondstaub berühmt wurde, hat Alan Bean dem Bild eine Textur verliehen, indem er einen Mondstiefel draufgedrückt hat. Apropos Mondstaub: Gerne hätte Alan Bean für seine Bilder Mondstaub verwendet, doch gab die NASA hierfür kein Mondmaterial frei. Alan Bean bemerkte aber, dass seiner eigenen Mondausrüstung noch genügend Mondstaub anhaftete und er so tatsächlich Bilder mit aufgebrachtem Mondstaub produzieren konnte. Ähnlich hat er auch nach und nach Teile seiner Ausrüstung, wie zum Beispiel das Missions-Emblem in die Bilder eingearbeitet.

Ein Astronaut kommt vom Mond und malt den Rest seines Lebens Mondbilder. Man fühlt sich spontan an zwei andere Personen erinnert. Da ist zum einen die von Richard Dreyfuss gespielte Figur aus Steven Spielbergs Film Unheimliche Begegnung der dritten Art (die im englischen Original nicht unheimlich, sondern "close" ist). Nach seiner Begegnung mit einem UFO, was ein 'Close Encounter of the First Kind' ist, wird der arme Kerl von Visionen geplagt. Tief in seinem Gehirn steckt eine Erinnerung, ein Bild, das sich bewusst werden will. Er steigert sich in einen Wahn, dieses Bild in seinem Kopf nachzubauen, um es von außen betrachten zu können, wobei übrigens der Berg Devil's Tower herauskommt. Hier zur Erinnerung ein hübsches altes Making-of dieses merkwürdigen und sehenswerten Films:

Ja, Alan Bean hatte eine unheimlich nahe Begegnung mit dem Mond. Wie Richard Dreyfuss im Film ist er getrieben, dem besonderen Eindruck nachzujagen, ihm Gestalt zu verleihen, denn in dem entscheidenden Moment ging alles zu schnell, war man einfach nicht vorbereitet. Doch Alan Bean jagt kein Phantom, kein UFO, sondern einem besonderen Moment. Er erinnert sich an etwas, dessen Realität außer Frage steht.

Eine andere Gestalt, an die Alan Bean denken lässt, ist der unglückliche Sisyphos, der jeden Tag seinen Stein den Berg hochrollt, nur um ihn morgens wieder unten im Tal vorzufinden. So malt Bean Tag für Tag Bilder vom Mond und kommt doch nicht mehr zu ihm zurück. Doch Albert Camus lehrt, dass man sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen muss, der das Absurde der Existenz ohne Ausflüchte aushält. Auch Alan Bean weiß, dass der 19. November 1969 der Höhepunkt seines Lebens ist und alles was danach kommt nicht annähernd so bedeutungsvoll sein kann. Die Banalität seines weiteren Lebens erträgt er anders als Edwin Aldrin ohne Alkoholsucht und anders als Ed Mitchell ohne metaphysische Spekulation. Und er ist glücklich, denn so schreibt Andrew Smith in Moonwalker:

Fasziniert von Alan Bean und seinem Charisma verlasse ich das Museum. Mir wird klar, dass ich nur wenige Menschen kenne, die man als glücklich bezeichnen könnte, und wie viel Zeit ich selbst schon unnötigerweise damit zugbracht habe, alles andere als glücklich zu sein.

Albert Camus hätte bestimmt gefallen an Alan Bean gefunden.

1 Kommentar:

  1. Heeeeeeeyyy, am 19. hatte ich bereits zwei Tage zuvor meinen Fuss das erste mal auf den Planeten Erde gesetzt.

    Man muss sich mich als einen glücklichen Menschen vorstellen.

    Jedenfalls hat diese bildlose Mission etwas zu bedeuten ... gerade für Amerika.

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