Die Frauen des Merkur

Ah, die Mercury 7, Amerikas erste Raumfahrer! Was für großartige Männer: Kampfpiloten, Tespiloten, Draufgänger ohne Furcht und Tadel. Männer, die einer Generation angehörten, die ihre Vorbilder in ihren mutigen Vätern hatten. Väter, die Europa von Hitler befreiten und den Pazifik für Amerika offen hielt. Die sechziger Jahre mit ihrer Freizügigkeit und Bürgerrechten, ihrem Ausloten neuer Rollen- und Lebensmodelle ging an diesen Männern vorbei. Für sie war die Rollenverteilung klar: Die Männer machen das Fliegen, die Frauen kochen den Pudding.

In der sowjetischen Propaganda war die Gleichberechtigung der Geschlechter Staatsziel und so startete mit Walentina Tereschkowa schon im Jahre 1963 die erste Bürgerin der Sowjetunion ins All. Das es sich hierbei um reine Propaganda handelte zeigt sich daran, dass nach diesem ersten Mal die russischen Weltraum-Chauvinisten nicht mehr allzuviel von Kosmonautinnen wissen wollten. Erst 1982 durfte mit Svetlana Sawizkaja mal wieder eine Frau ran. Wie so oft in der russischen Raumfahrtgeschichte ging es nur darum erster zu sein.

Jerrie Cobb

Im spießigen Amerika dauerte es dagegen bis zum Jahre 1983. Sally Ride flog zwanzig Jahre nach Walentina Tereschkowa als erste Amerikanerin überhaupt ins All. Dabei mangelte es den Amerikanern gar nicht an Astronautinnen. Neben den heldenhaften, glorreichen Mercury 7 gab es nämlich noch die Mercury 13, angeführt von der Pilotin Jerrie Cobb. Sie hatte sich in der legendären Lovelace-Klinik in Albuquerque, New Mexico, denselben Tests unterzogen, wie die Männer der Mercury 7. Dabei beeindruckten ihre guten Testresultate so sehr, dass man sie bat, nach weiteren Kandidatinnen zu suchen. Am Ende bestanden zwölf Pilotinnen das strenge Auswahlverfahren von Lovelace. Der Skandal dabei: In den Weltraum geflogen ist keine einzige von ihnen!

In seinem Buch Carrying the Fire zeigt sich der Apollo-11-Astronaut Michael Collins erleichtert, dass die Frauen nicht fliegen durften. Seine Begründung ist die mangelnde Privatsphäre. In dieselbe Richtung argumentiert auch der Apollo-Astronaut Charles Duke. In seinem Buch Moonwalker schreibt Andrew Smith dazu:
"Doch als ich Duke dazu befrage, sagt er mir das Gleiche [wie Michael Collins] - dass der Mangel an Privatsphäre der Grund dafür war, warum es in den Besatzungen keine Frauen gab -, und ich gebe mir die größte Mühe, mich daran zu erinnern, dass dieses Leute die sechziger Jahre nicht mitgemacht haben."
Das Argument ist schon allein deshalb blödsinnig, weil man ja reine Frauencrews hätte zusammenstellen können, zumal beim Mercury- oder Gemini-Programm eh nur ein, bzw. zwei Astronauten in der Kapsel waren. Die ersten Raumfahrer Amerikas entstammen einer verklemmten Generation, die sich schämte, in ihrer Apollo-Kapsel in Gegenwart einer Frau die Astronautenunterwäsche zu wechseln und die NASA wollte mit ihren Musterknaben sicherlich eine konservative Art des American Way of Life vorführen. Ich denke das Privatsphärenargument ist letztlich nur vorgeschoben, um den eigenen Chauvinismus zu verbergen. Frauen gehören für die vorsechziger Generation nunmal an den Herd. Außerdem: Ziel des Gemini-Programms war es, möglichst schnell die Grundlagen für das Apollo-Programm zu legen, um das von J.F. Kennedy gesteckte Ziel der Mondlandung zu erfüllen. Nebenbei noch zu testen, ob Frauen überhaupt weltraumtauglich sind, wäre ein hierfür nicht zielführendes weiteres Projekt gewesen - so stelle ich mir die Argumentationsweise hinter den verschlossenen Türen vor.

Und heute? Die momentane Expedition-20-Crew auf der ISS ist eine reine Männergesellschaft, was sich mit dem Flug STS-127 allerdings wieder ändern wird. Die ESA-Staaten haben bisher drei Astronautinnen hervorgebracht, die jüngste ist Samantha Cristoforetti.

Linktipp: The Jerrie Cobb Foundation

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