Fünf Minuten für Kometen

Komet C/1995 O1 (Hale-Bopp), aufgenommen am 04. April 1997 von E. Kolmhofer, H. Raab; Johannes-Kepler-Observatory, Linz, Austria (http://www.sternwarte.at) Man beachte den blauen Plasmaschweif und den milchigen Staubschweif

Kometen können ein beeindruckendes Schauspiel am Himmel aufführen. Auch in Zeiten der wissenschaftlichen Astronomie kommt dieses Schauspiel oft überraschend, denn wir kennen bei weitem nicht alle Kometen und wissen auch nicht, wie mächtig und prächtig sich jeweils der Schweif entwickelt. Der Schweif ist es auch, der den Kometen den Namen gab: Komet leitet sich von dem griechischen Wort für Haar ab, Kometen mit Schweif sind also "Haarsterne".

Früher wusste man nicht, ob Kometen ein Phänomen der Erdatmosphäre darstellen oder irgendwie zu der weiten Welt der Planeten gehören. Der aristotelische Himmel galt ja als unveränderlich und außerdem, wie soll ein Komet quer zu den Planetenbahnen fliegen, ohne die Kristallsphären zu zerschlagen, auf denen die Planeten angeheftet sind? Die Erkenntnis, dass Kometen eben keine Phänome der Erdatmosphäre sind, war somit ein Schlag gegen die aristotelische Physik. Dieser Schlag gelang Tycho Brahe im Jahre 1577. Der dänische Astronom konnte zeigen, dass bei dem gerade erschienenen Kometen keine Parallaxe feststellbar ist. Das heißt, egal von welcher Position man ihn auch beobachtet, er ändert seine Lage nicht, gegenüber dem fernen Fixsternhintergrund. Brahe wusste nun aber, dass ein relativ nahes Objekt unserer Atmosphäre vor dem Hintergrund hin und herspringen muss, wenn man die Beobachtungsposition wechselt. Nach Brahe betraten Kepler und Newton die Bühne der Physik und machten es möglich Kometenbahnen zu berechnen. Insbesondere kann seitdem das zukünftige Erscheinen einen Kometen vorhergesagt werden, wenn der Komet einmal entdeckt wurde. Dies gelang Edmund Halley anhand eines Kometen der 1682 erschien. Er sagte das Wiederkommen des Kometen korrekt für das Jahr 1758 voraus. Diesen alle 76 Jahre sichtbaren Kometen nennen wir daher den Halley'schen Kometen.

Der Halley'sche Komet bekam am 14. März 1986 Besuch von der europäischen Raumsonde Giotto, die an ihm in knapp 600 km Entfernung vorbeiflog. Das Bild zeigt den aktiven Kometenkern. Credit: ESA
 Heute wissen wir sogar im Prinzip, woraus Kometen bestehen. Da sie ihren Ursprung außerhalb des inneren Sonnensystems haben, also jenseits der "Eisgrenze" aus dem solaren Urnebel entstanden sind, bestehen sie aus Metall, Gestein und Eis - "schmutzige Schneebälle" lautet das beliebte Bild für diese Zusammensetzung. "Eis" meint in der Astronomie gefrorene Wassersstoffverbindungen, also Ammoniak-, Methan- und Wassereis. Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum, da es direkt kurz nach dem Urknall entstand. Die genannten Eise sind nun gerade die Verbindungen des allgegenwärtigen Wasserstoffs mit den anderen relativ häufigen Elementen des solaren Urnebels. Daher ist es nicht verwunderlich, diese Substanzen dort anzutreffen, wo es im Sonnensystem kalt genug ist, damit sie als feste Körper vorliegen können. Das ist jenseits der "Eisgrenze" der Fall, die in unserem Sonnensystem in den äußeren Bereichen des Asteroidengürtels liegt. Außerdem findet man im Kometen Kohlendioxid und Kohlenmonoxid und - das ist schon eher eine Überraschung - komplexe organische Verbindungen. Letztere geben Anlass zur Spekulation, ob nicht letztlich die Kometen die Entstehung des Lebens auf der Erde bewirkt haben könnten.

Diese Bilderserie zeigt den Einschlag eines Projektils auf den Kern des Kometen Tempel 1 (9P/Tempel) am 04. Juli 2005. Das Projektil hat die Raumsonde Deep Impact mit sich geführt hat. Die Instrumente der Raumsonde analysierte spketroskopisch die beim Einschalg aufgeworfene Materie. Credit: NASA/JPL
 Nun sollten wir aber vielleicht einmal klären, was wir unter einem Kometen verstehen wollen. Ein Komet besteht zunächst aus einem Kern, dem "schmutzigen Schneeball". Die meiste Zeit treibt dieser Körper weit von der Sonne entfernt auf einer solaren Umlaufbahn. Gerät der Komet in das Innere des Sonnensystems - das kann periodisch geschehen oder ein einmaliger Vorgang sein - sublimiert die Sonnenstrahlung das Eis. So ab 5 AE ² bildet das so entstehende Gas und der mitgerissene Staub einen Halo, der den Kometenkern um ein vielfaches an Größe übertrifft. Erst jetzt kann der Komet in einem kleinen Teleskop oder sogar für das bloße Auge sichtbar werden. So ab 1 AE reagiert dieser Halo auf die Einwirkung der Sonne. Es bildet sich der Kometenschweif, der immer von der Sonne weggerichtet ist (somit kann er durchaus auch in Flugrichtung zeigen, gleicht also in keinster Weise einem Düsenstrahl, wie das oft gezeichnet wird). Eigentlich gibt es zwei Schweife, denn Gas und Staub des Halos reagieren unterschiedlich auf die Sonne. Der Staub wird vom Lichtdruck der Sonne weggeweht. Da der Staub im Vergleich zum Gas massereich ist, ist der Staubschweif etwas gekrümmt: Die Bewegung der Staubteilchen setzt sich aus der ursprünglichen Bewegung des Kometen und der Bewegung zusammen, die durch die Kraft des Sonnenlichts bewirkt wird. Somit gleicht der Staubschweif etwas einer Wurfparabel eines geworfenen Steins. Der Gasschweif, besser auch Plasmaschweif genannt, entsteht dadurch, dass das UV-Licht der Sonne das Gas des Halos ionisiert. Solch ein ionisiertes Gas wird Plasma genannt. Dieses Plasma wechselwirkt mit den geladenen Teilchen der Sonne, dem Sonnenwind. Dabei wird das Gas auf Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde beschleunigt. Dieses schnell abströmende Gas bildet einen kerzengraden, von der Sonne direkt weggerichtet Schweif. Farblich ist dieser oft bläulich, wohingegen der Staubschweif oft weißlich oder grünlich erscheint.

Der Kern des Kometen Wild 2 (81P/Wild), aufgenommen am 02. Januar 2004 von der Raumsonde Stardust. Credit: NSSDC Master Catalog
 Um zu wissen, wie es nun weitergeht, müssen wir nochmals zurück zum Kern des Kometen. So beindruckend die Leuchterscheinung des Kometen in Sonnennähe ist, so unspektakulär sieht eigentlich ein Kometenkern aus. Diese sind vielleicht gerade mal 20 Kilometer groß und mit einer Dichte von weniger als 1 Gramm pro Kubikzentimeter haben sie eine geringere Dichte als Wasser, was sich nur durch große Hohlräume erklären lässt. Dabei ist der Kern pechschwarz - nein, genau genommen schwärzer als Pech: Er reflektiert gerade mal 5% des Sonnenlichts.³

Wenn nun der Komet seine Perihelpassage an der Sonne durchlaufen hat, hat er etwa 0,1% seines Eises verloren. Angesichts des riesigen Zaubers, die der Komet entfacht hat, scheint das recht wenig zu sein. Der Komet kann nach mehrmaligen Umläufen instabil werden und fragmentieren. Eine beeindruckende Aufnahme dazu zeigt das Bild des Komten Schwachmann-Wachmann 3 aus dem Jahre 2006.

Hier sieht man in einer Aufnahmeserie des Weltraumteleskop Hubble aus dem Jahr 2006 die Fragmente von Schwassmann-Wachmann 3 Credit:NASA, ESA, H. Weaver (APL/JHU), M. Mutchler and Z. Levay (STScI)

Der Komet verliert auf seiner Bahn nahe der Sonne ständig nicht nur Staub und Gas, sondern auch etwas größere (vielleicht kieselsteingroße) Materiestücke, die vom Gas mitgerissen werden. Diese Teilchen sind schon zu groß, um vom Sonnenlicht aus der Kometenbahn gedrückt zu werden. Sie verweilen somit auf der Bahn. Wenn nun unsere Erde die Kometenbahn kreuzt, kommt es zu Leuchterscheinungen in der Atmosphäre, den Meteorschauer.

Teile des Staubs fallen auf die Kometenoberfläche zurück und bilden eine dicke Staubschicht. Diese sorgt nicht nur für die geringe Albedo (das Reflektionsvermögen) sondern kann den Kometen auch quasi versiegeln. Das Innere des Kometen erwärmt sich dann nicht mehr genug, damit bei einer Perihelpassage das Eis sublimiert. Es bildet sich kein Halo mehr aus. Der Komet ist sozusagen tot.

Die meisten Kometen, die sich ins Innere des Sonnensystems stürzen, scheinen aus völlig beliebigen Richtungen zu kommen. Dies legt es nahe von einem sphärischen Kometenreservoir auszugehen, das sich weit entfernt von userer Sonne befindet. Astronomen nennen dieses Reservoir Oort'sche Wolke, nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort. Diese Wolke ist gigantisch groß, nämlich 50.000 AE, ja es mag Körper geben, die bis zu einem viertel der Strecke zum nächsten Stern weit entfernt sind und dennoch unsere Sonne als schmutziger Schneeball umkreisen! Man schätzt die Zahl der Objekte in der Oort'schen Wolke auf etwa eine Billiarde! Vermutlich sind diese Körper ursprünglich im solaren Urnebel entstanden und zwar in einem Bereich, in dem sich auch die vier Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus uns Neptun bildeten. So würde sich zwanglos ihre Zusammensetzung aus gesteinsbildenden Material plus Eis erklären. Statt dann aber mit einem der Gasriesen oder einem der großen Monde zu kollidieren oder von einem Gasriesen als Mond eingefangen zu werden, wurden sie durch die Begegnung mit einen der riesigen Planeten aus dem Sonnensystem gekickt, ähnlich wie wir heute Swing-By-Manöver nutzen, um unsere Raumsonden mittels der Gravitation der Planeten zu beschleunigen. Da dieses Rauskicken in beliebigen Richtungen erfolgt, würde dies erklären, warum die Kometen sich sphärisch wie eine uns umgebende Wolke am Himmel verteilen.

Neben der Oort'schen Wolke gibt es wohl ein zweites Reservoir, das auch nach einem Niederländer benannt wurde, nämlich der Kuiper-Gürtel. Die Objekte des Kuiper-Gürtel befinden sich in 30 bis 50 astronomsichen Einheiten Entfernung von der Sonne. Das ist eine Region jenseits des äußersten Planeten Neptun, also jenseits des desaströsen Gravitatioseinflusses der Gasriesen, und da der Gürtel in der Ebene liegt, in der sich auch die Planeten entwickelt haben (der Ekliptik) liegt die Vermutung nahe, dass die Kuipergürtel-Objekte da entstanden, wo sie jetzt immernoch sind.

Durch Kollisionen im Kuipergürtel oder der Gravitationswirkung vorbeiziehender Sterne in der Oort'schen Wolke, verändert sich die Bahn der Kometen drastisch und sie stürzen ins Innere des Sonnensystems. Hier kann es zu weiteren Wechselwirkungen mit dem massereichen Planet Jupiter kommen, die dazu führt, dass das Aphel (der sonnenfernste Punkt) der Kometenbahn im Bereich der Jupiterbahn gelangt. Solche Kometen kehren dann recht bald immer wieder und werden daher auch kurzperiodische Kometen genannt.

Diese Skizze zeigt die beiden großen Kometenquellen Kuiper-gürtel und Oort'sche Wolke. Quelle: Wikipedia
 Soweit also eine kleine Tour durch die Welt der Kometen. Als Quellenangabe und Lesetipp möchte ich das dicke Buch von Bennett, et.al. empfehlen: Astronomie - Die kosmische Perspektive
Das Buch ist leicht und verständlich geschrieben, aber aufgrund seiner Dicke und seinem Detailreichtum nur für Leser geeignet, die es wirklich ernst meinen.

² AE = Astronomische Einheit, also die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne, also etwa 149,6 Million Kilometer
³ All diese Angaben beziehen sich genau genommen nur auf den Halley'schen Kometen

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