Trockene Schwester Venus

 Die europäische Raumsonde Venus Express, künstlerische Darstellung

Es vergeht kaum eine Woche, ohne eine Meldung mit neuer Spekulation darüber, ob, wann, wo und wieviel Wasser es auf dem Mars gibt oder gab und in welchem Aggregatzustand. Der Mars präsentiert sich uns als Wüstenplanet. Raumsonden haben klare Sicht auf seine trockene Oberfläche, die weit eher durch Staubstürme, als durch Wolken getrübt wird. Doch Fließtrukturen auf seiner Oberfläche, mineralogische Hinweise, Polkappen und bereits nachgewiesenes Tiefeneis, geben viel Anlass zu Spekulation und Interpretation. Wie aber sieht es auf der Venus aus?

Wenn der Mars der kleine Bruder unserer Erde ist, dann ist Venus fast so etwas wie eine Zwillingsschwester: Ihr Durchmesser beträgt 95% des Erddurchmesser, ihre Masse 81,5% der Erdmasse und ihre mittlere Dichte 95% der mittleren Dichte der Erde.
"The basic composition of Venus and Earth is very similar," 
meint denn auch Håkan Svedhem, ein an der Raumsonde Venus Express der europäischen Raumfahrtbehörde ESA beteiligter Wissenschaftler.

Auch der mittlere Abstand der Venus von der Sonne ist mit 0,72 Astronomischen Einheiten (AE) nicht so sehr unterschiedlich von der Entfernung Erde-Sonne, die definitionsgemäß 1 AE beträgt. Doch dieser kleine Unterschied hat große Auswirkungen: Die Venus ist in einem stärkerem Maße der energiereichen ultravioletten Strahlung der Sonne ausgesetzt. Diese Strahlung dringt in die Atmosphäre der Venus ein und spaltet Wassermoleküle. Die dadurch freigesetzten Wasserstoff- und Sauerstoffatome sind leicht genug, um der Atmosphäre zu entweichen. Der Planet trocknet aus. Die Raumsonde Venus Express misst die zeitliche Rate, mit der diese Atome abströmen. Dabei zeigt sich, dass die entweichenden Sauerstoff- und Wasserstoff-Atome tatsächlich im Verhältnis 1:2 vorliegen, wie man es aus der chemischen Zusammensetzung des Wassers als H2O erwarten würde. So ist also wohl wirklich Wasser die Quelle dieser Atome. Außerdem zeigen die Messungen, dass sich die Atmosphäre der Venus mit Deuterium anreichert. Dabei handelt es sich um ein Isotop des Wasserstoffs, bei dem im Kern ein zusätzliches Neutron vorkommt. Durch diese Extramasse verlängert sich die Verweildauer in der Atmosphäre gegenüber dem einfachen Wasserstoff.

Viel Wasser ist da nicht mehr übrig. Zum Vergleich: Würde man den Wassergehalt aller Ozeane gleichmäßig über die Erde verteilen - oder anders gesagt, würde man die Erde zu einer perfekten Kugel ohne Gräben und Gebirge machen - dann stünde das Wasser drei Kilometer über der Erdkugel. Das selbe Experiment auf die Venus bezogen ergäbe lediglich einen planetenweiten "Ozean" mit drei Zentimeter Tiefe. Dabei steckt das ganze Venus-Wasser in der Atmosphäre.

 Die Venus heute nach der künstlerischen Darstellung von  J. Whatmore

Wenn die Sonne mit ihrer UV-Strahlung das Wasser errodiert, liegt es Nahe zu vermuten, dass es früher viel mehr war. So sagt auch Colin Wilson von der Oxford University, UK:
"Everything points to there being large amounts of water on Venus in the past."
Unser innerer, gar nicht so arg weit entfernter Nachbar hatte bei seiner Entstehung wohl ähnliche Startbedingungen wie unsere Erde. Gab es also einst Ozeane mit stehendem Wasser, in denen dann vielleicht sogar frühe Formen von Leben möglich war? Geht es nach dem Computermodell von Eric Chassefière von der Université Paris-Sud in Frankreich, so muss man diese Hoffnung begraben. Das Wasser der Venus liegt demnach schon immer im wesentlichen atmosphärisch vor. Schon früh in der Venusgeschichte, als die Oberfläche noch aufgeschmolzen war, setzte der Prozess der atmosphärischen Wassererrosion durch die Sonne ein. Da Wasser ein starkes Treibhausgas ist, führte dessen Verschwinden zur Abkülung, was die Bildung der harten Venuskruste beschleunigte. Chassefière stellt aber klar:
"Much more extensive modelling of the magma ocean–atmosphere system and of its evolution is required to better understand the evolution of the young Venus"
Daten, die vor Ort von Raumsonden wie Venus Express gewonnen werden, sind eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung solcher Modelle.
Was das Modell von Chassefière nicht berücksichtigt sind Kometen. Durch Einschläge auf die bereits erkaltete Venusoberfläche tragen Kometen Wasser und organische Moleküle ein.

Auch wenn der Mars nicht als Zwilling der Erde durchgeht, erscheint er uns doch viel vertrauter, als die heiße Hölle Venus. Es ist halt leichter, sich eine Wüste vorzustellen, die ab und zu überschwemmt wird, als einen ewig wolkenverhangenen Planeten, auf dem es nie regnet.

Quelle: ESA

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