Schwerelos weil gravitationslos?

Für die Astro- und Kosmonauten an Bord des Space Shuttle Discovery und der Internationalen Raumstation gab es heute Einiges zu tun. Die beiden Kranführerinnen Naoko Yamazaki und Stephanie Wilson haben mit dem Roboterarm der Station das Transportmodul Leonardo an die Station angestöpselt. Daraufhin galt es die neun Tonnen Material aus dem Modul zu versorgen und sich auch schon auf den ersten Außenbordeinsatz vorzubereiten.

Inzwischen ist mir im Gespräch mit Freunden aufgefallen, dass es immernoch falsche Vorstellungen darüber gibt, warum die Astronauten in der Station eigentlich schwerelos sind. Tatsächlich gibt es Leute, die glauben, dass die Astronauten schwerelos sind, weil sie so weit von der Erde entfernt sind, so dass die Erdanziehung nicht mehr wirkt. Diese Erklärung widerspricht aber mindestens zwei Beobachtungen, die mir dazu spontan einfallen. Zum einen ist es ja so, dass wenn an der Position der Raumstation ISS die Erdanziehung nicht mehr vorhanden wäre, die Station einfach ins All hinwegschweben würde. Zum anderen ist ja auch der Mond an unsere Erde gebunden, obwohl er noch viel weiter entfernt ist, als die ISS. Man mache sich das mal klar: Die Erde hat einen Durchmesser von 12.800 Kilometer, das Space Shuttle und die ISS fliegen aber gerade mal circa 400 Kilometer hoch. Würde man also die Erde auf ein Blatt Papier zeichen, so dass sie gerade noch drauf passt und würde man im selben Maßstab die Umlaufbahn der ISS dazuzeichnen, hätte man einfach nur einen zarten Doppelstrich. An der Stärke der Gravitationskraft ändert sich da nicht so arg viel. "Raumfahrt" ist tatsächlich ein großes Wort für das, was wir momentan betreiben.

Warum also sind die Astronauten schwerelos? Weil sie sich im freien Fall befinden! Wie die Insassen eines Fahrstuhls bei dem das Kabel reißt, heben sie vom Boden ab. Doch dieser besondere Fahrstuhl kommt nie am Boden an, da er sich so schnell zur Seite bewegt, dass er um die Erde herumfällt. Entscheidend also bei Shuttle-Starts ist nicht einfach nur große Höhe zu gewinnen, sondern eine große Tangentialgeschwindigkeit.

In Ermangelung einer Raumstation hat der große Physiker Isaac Newton die Sache mit dem freien Fall um die Erde mit einer Kanone auf einen Berg visualisiert.



Ist die Tangentialgeschwindigkeit der Kanonenkugel richtig gewählt, fällt sie um die Erde herum und der Herr Baron von Münchhausen auf der Kanonenkugel wäre schwerelos. Er müsste sich mit Schlaufen an der Kugel festhalten, um nicht abzudriften. Auch die Astronauten verankern sich gerne mit den Füßen, um nicht dauernd unkontrolliert in der Station rumzuschweben. Zur Nachtruhe legen sie sich dafür extra in verankerte Schlafsäcke. Eine Flash-Animation zu dem Newton-Bild gibt es hier.

Auf Höhe der ISS muss sich alles mit 28.000 km/h bewegen, damit der freie Fall um die Erde gelingt. Douglas Adams hat die Kunst des Raumflugs in seinem Roman Per Anhalter durch die Galaxis wunderbar beschrieben:
"Es ist eine Kunst oder vielmehr ein Trick, zu fliegen. Der Trick besteht darin, dass man lernt, wie man sich auf den Boden schmeißt, aber daneben." 
(Zitiert aus Bennett, et.al. Astronomie)

Jetzt noch ein anderes Thema: Gestern hatte ich ja erwähnt, dass die NASA routinemäßig ihr Space Shuttle vor dem Andocken an der Raumstation dreht, um die Hitzeschutzkacheln durch die Stationsbesatzung fotografieren zu lassen. Hier nun nachträglich das Video zu diesem Flugmanöver:



Heute veröffentlich die NASA dieses tolle Bild, das während diesem "rendezvous pitch maneuver" (RPM) entstand. Es wurde aus 180 Metern Entfernung geschossen. Jetzt können wir uns alle selbst vom ordnungsgemäßen Zustand der Kacheln überzeugen.

Image Credit: NASA

Übrigens hatte ich auch gestern erwähnt, dass die Ku-Antenne des Shuttles ausgefallen ist. Dabei handelt es sich um die runde Schüssel neben dem Cockpit-Fenster. Auf der anderen Seite sieht man teilweise den Roboterarm des Shuttles.

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