Christi Himmelfahrt ist ein Feiertag, den wir in Deutschland bundesweit begehen, obwohl kaum noch jemand an die Himmelfahrt Christi glaubt. Die Giordano Bruno Stiftung, eine "Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus", fordert daher, diesen Feiertag den konfessionsfreien, aufgeklärten Menschen dieses Landes zur Verfügung zu stellen. Schließlich sei es ungerecht, dass die Christen gleich mehrer Feiertage im Jahrslauf begehen können, hingegen die schweigende Mehrheit der Nichtgläubigen keinen Tag für sich haben. Ein bundesweiter Evolutionstag soll dieses Missverhältnis wenigstens etwas gerade rücken - Weihnachten feiern wir ja alle gerne wieder zusammen, der Geschenke wegen.
Die Forderung nach einem Evolutionstag fällt natürlich nicht zufällig in dieses Jahr, denn schließlich jährt sich der Geburtstag Charles Darwins zum zweihundertsten mal und das Publikationsdatum seines Hauptwerks über die Evolutionstheorie zum 150. mal.
Die Begründung der Giordano Bruno Stiftung zu diesem Vorstoß kann auf der Seite darwin-jahr.de/e-day nachgelesen werden. Dort heißt es unter anderem:
Am „Evolutionstag“ soll gefeiert werden, dass wir endlich den kindlichen Narzissmus überwunden haben, der uns dazu verleitete, unsere Art als „Krone der Schöpfung“ zu betrachten. Schließlich wissen wir heute, dass wir nur eine von Millionen Lebensformen auf diesem Staubkorn im Weltall sind. Und so stolz wir auch immer auf unsere „kulturellen Leistungen“ sein mögen, im Grunde sind wir kaum mehr als die „Neandertaler von morgen“.Auf dieser Seite findet sich auch ein Link zu einer entsprechenden Petition.
Was ist davon zu halten? Die Giordano Bruno Stiftung ist kein skurriler Haufen, sondern kann in ihrem Beirat eine illustre Gesellschaft interessanter Persönlichkeiten vorweisen: Vom Comic-Zeichner Ralf König, über den renommierten Hirnforscher Wolf Singer bis hin zu dem von mir überaus verehrten Philosophen Bernulf Kanitscheider. Dennoch erscheint mir persönlich das Ganze eher ein Marketing-Gag zu sein, um die Idee des Humanismus und der Aufklärung in die Medien zu tragen. Feiertage werden von den meisten Menschen eh nicht im Geiste dieser Tage begannen, sondern sind lediglich zusätzliche Urlaubstage. Ob so ein Tag nun Christi Himmelfahrt heißt oder nicht, interessiert genauso wenig, wie dass der Sonntag Sonntag heißt. Wird nun an einem Tag im Jahr von Staats wegen an Charles Darwin und die Folgen gedacht, drohen nur dieselben beliebigen Sonntagsreden der Politik und dieselben Feierlichkeitsrituale, die diesen Tag ganz schnell für die Menschen wieder uninteressant machen. Kritisches Denken im Geiste der Aufklärung und des Humanismus ist aber eine Haltung, die jeden Tag gelebt werden will. Wie der rechtgläubige Christ nicht nur am Sonntag betet, ist auch der Selbstdenker täglich aufgerufen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.
Trotzdem: Als Mittel um in die Medien zu kommen, finde ich diesen Vorstoß witzig und originell. So, wie auch dieses Video zum Evolutionstag:
Ich neige eher dazu, dass hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Den Videoclip finde ich albern, aber nunja, lassen wir das mal eine Geschmackssache sein.
AntwortenLöschenDie Schwierigkeit der Atheisten ist es ja, dass sie sich letztlich auch über die Gottesfrage definieren. In einem verneinenden Sinne zwar, doch das ändert nichts daran, das Atheisten per Definition eine Nähe zu Gott haben. Genau dies zeigt sich auf bemüht amüsante Weise in dem Videoclip. Er ist ein Hinweis auf das zentrale Problem des Atheismus: Er ist nicht normativ, er sagt nur, was nicht ist. In diese Lücke füllt er aber nichts, das die Massen beruhigt. Atheismus setzt einen reiferen Menschen voraus, den ich nicht sehen kann. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es eine "schweigende Mehrheit der Nichtgläubigen" gibt. Es gibt höchstens eine schweigende Mehrheit der Menschen, die sich über dieses Thema überhaupt keine Gedanken machen. Würde man diese Menschen dazu zwingen, sich Gedanken zu machen … die Atheisten sollten nicht zuviel Hoffnung auf Zulauf haben. Für ein Wesen, das so tief von Aberglaube und Hoffnungssehnsucht beherrscht ist, wie wir Menschen, bietet die Nichtexistenz Gottes einfach zu viele, zu schwierige Emotionen an und verlangt zu viel.
Ich grübel selbst schon sehr lange über dieses Thema nach und frage mich, wie man, angesichts aller Dinge und Argumente überhaupt an Gott glauben kann. Ich habe viel mit sehr gläubigen Menschen geredet und sie mit einer Menge Argumente und Gedanken konfrontiert. Der Schlüssel zur Antwort, denke ich mittlerweile, liegt in dem Umstand, dass die Frage nach der Existenz Gottes für die Religion im Allgemeinen und den einzelnen Gläubigen im speziellen völlig unwichtig ist. Das muss man sich klar machen: Ob es Gott wirklich gibt (ich meine so ganz wirklich richtig real) ist für einen gläubigen Menschen im Kern vollkommen unwichtig. Das klingt komisch, aber ich glaube, dass das so ist. Das heißt aber auch, dass der organisierte Atheismus vollkommen falsch ansetzt und auch vollkommen chancenlos ist, denn er konzentriert sich auf eine Frage, die letztlich irrelevant ist. Und sein Problem ist, dass er nicht erkennen und wahrhaben will, das Glauben und Religion von der Existenz Gottes völlig unabhängig sind. Das müssen sie ja auch sein, denn sonst gäbe es sie nicht. Der Atheist versucht dem Gläubigen immer klar zu machen, dass er ohne Gott leben kann. Dabei tut er es schon immer. Warum sollte er also etwas ändern?
Das war 'ne Menge Senf. Puh.
ad 2: coole Google-Anzeigen unter dem Post. Ja, ja … das ist schon so eine Sache mit AdSense …
AntwortenLöschenHallo Navigator, danke für Deinen Senf! Ich bin mit dieser Aktion und dem Video auch nicht glücklich, weil es irgendwie zu dem Niveau des Beirates nicht so recht passen will. Es wirkt mir zu sehr wie ein Schülerstreich, jetzt mal rein von der PR her gedacht, gar nicht so sehr vom Inhalt.
AntwortenLöschenIch finde, Du sprichst da einen interessanten Aspekt an, den ich auch bei Drewermann mal gefunden habe: Es ist ein grundlegender Fehler der Glaubensdiskussionen, dass die schwierige Frage nach dem Glauben und nach Gott zuerst gestellt wird. Man sortiert die Gesprächspartner nach der Antwort auf die Frage. "Glauben Sie an Gott?" in zwei Lager, die man dann mehr oder weniger gesittet aufeinander hetzt. Die Frage nach Gott steht aber am Ende, nicht am Anfang der religiösen Suche. Umgekehrt ist es aber auch pervers, Glaubensgewissheit von seinen Kirchenmitgliedern zu fordern, um jemanden als rechtgläubig zu bezeichnen. Ich selber meide Kirchen, weil es in ihnen zu sehr darum geht, den Glauben zu stärken und zu wenig um die Frage, wie man Menschen bei ihrer Sinnsuche in ihrem individuellen Leben begleitet.
Ja nun die Google Ads ;-) Ich bin optimistisch, dass die Besucher meiner Webseite über die Medienkompetenz verfügen, meine Inhalte von automatisch generierten Inhalten zu unterscheiden. Ich experimentiere aber halt auch gerne mit solchen Sachen, das macht mir Spaß.
Nach derselben Logik könnte man den Sonntag abschaffen, weil der sich aus der Schöpfungsgeschichte ableitet. Die Bruno-Stiftung scheint mir ein Sammelbecken von Leuten zu sein, die nicht oft genug in die Medien kommen können. (Singer war doch der, der ständig Interviews gibt darüber, daß man das Strafrecht ändern muß, weil es keinen freien Willen gibt, oder?) Letztlich helfen diese Aktivitäten wahrscheinlich eher den ideologischen Hardlinern der anderen Seite.
AntwortenLöschen"Rule of thumb: Be skeptical of things you learned before you can read. E.g., religion."
AntwortenLöschenBen Casnocha
Denke auch, dass religiöse Menschen dazu neigen, die naive Ontologie des Gibt-es/Gibt-es-nicht Schemas in der Gottfrage eher zu ignorieren. Und wie Navigator das feststellt, werden sie damit im Grunde zu Agnostikern.
AntwortenLöschenAber auch die Wissenschaft ist (in Teilen zumindest) schon so weit. Zum Beispiel Evolutionstheorie: Das mit Mutation und Selektion ist ja gut und schön, aber solche einfachen Systeme werden schnell selbstbezüglich, d.h sie reagieren nicht mehr nur auf eine äussere (unevolutionäre) Umwelt, sondern auch auf sich selbst (hat ja auch Darwin schon gesehen, dass die Umwelt eines Organismus zu erheblichen Anteilen aus anderen Organismen besteht.) Und im Rahmen sog. autopietischer Schliessung , bildung von Funktionssystemen etc pp blabla (siehe ->Systemtheorie) kann es dann sogar zu sowas wie Selbststeuerung kommen. (Nur als Beispiel bedient sich ja das Immunsystem selbst evolutionärer Mechanismen um zu funktionieren)
Also existieren Realitäten 'höherer Ordnung'. Ich sehe da wirklich breiten Verhandlungspielraum zwischen Wissenschaft und Religion. Und im Rahmen einer solchen Gesamtlösung wird sich sicher auch eine Feiertagsregelung finden lassen ;-)