Das Universum aus der Kolumne
Wenn sich ein Journalist in eigener Kolumne regelmäßig der Astronomie widmet entsteht ein "Universum", so jedenfalls im Falle von Michael Odenwald. Er ist Wissenschaftsredakteur beim Nachrichtenmagazin Focus und betreut auf der Internetseite des Magazins seine Kolumne "Michael Odenwalds Universum". In ihr geht er grundlegenden Fragen aus Wissenschaft und Technik nach, die im Redaktionsalltag oft zu kurz kommen, zum Beispiel: "Was war vor dem Urknall?", "Wird es je eine Weltformel geben?", "Was ist Zeit?", aber auch handfestere Fragen, wie "Was will der Mensch im All?" oder "Beeinflusst der Mond den Menschen?".
Insgesamt 38 Beiträge seiner Kolumne hat Michael Odenwald zwischen zwei Buchdeckel gepresst, wobei die überwiegende Zahl sich mit Grundlagenfragen der Physik und Kosmologie beschäftigen. Da die Beiträge für das Buch nicht überarbeitet wurden, sind viele Informationen redundant. Im Vorwort bezeichnet der Autor dies zwar als Vorteil, doch finde ich es ermüdend, mehrmals von der Bedeutung einer möglichen Vereinigung der Quantentheorie mit der Gravitationstheorie zu lesen oder dass die Lichtgeschwindigkeit ein universelles Tempolimit darstellt, um mal zwei Beispiele des Immerwiederkehrenden rauszugreifen. Ein Vorteil ist allerdings, dass sich die Beiträge unabhängig voneinander lesen lassen und man sich so die interessantesten Fragestellungen nach Lust und Laune vornehmen kann.
Die Beiträge selbst sind kurz und knackig, schließlich lautet die hinlänglich bekannte Eigenwerbung des Magazins "Fakten! Fakten! Fakten!".
Dies erinnert mich an den Kommentar eines Bekannten, der mal sagte, er lese den Focus lieber als den Spiegel, weil ein typischer Focus-Artikel die Länge eines Stuhlgangs hat. Der typische Focus-Leser - berufstätiger Macher mit begrenzten Zeitbudget - findet eben nur auf dem stillen Örtchen mal die Muse zum lesen.
Mit den Fakten übertreibt es aber Michael Odenwald zuweilen. Beispielsweise präsentiert er in dem Kapitel "Im Universum regiert der Zufall - oder doch nicht?" eine erlesene Abfolge von Rettern der Determiniertheit in der Quantenmechanik - John Bell, Joy Christian, Gerard t'Hooft, Roger Penrose, Stephen Adler, David Bohm, Lee Smolin - auf acht Buchseiten. Das bedeutet also in etwa eine anspruchsvolle Idee pro Seite. Odenwalds Universum hat zuweilen eine sehr hohe Physikerdichte, worunter das Verständnis zu kollabieren droht.
Generell sind viele Beiträge von der Art aufgebaut, dass der Leser mit Wissenshäppchen aus dem Fundus des belesenen Physiker und Redakteur Michael Odenwald nur angefüttert wird - satt macht das Buch den Wissenshungrigen allerdings nicht.
Schöner zu lesen sind die Beiträge, in denen der Autor sich nicht von einem theoretischen Physiker zum nächsten hangelt, sondern kleine Geschichten erzählt. Zum Beispiel die Sache mit den Pioneer-Sonden. Diese beiden weitgereisten Raumsonden entfernen sich von unserem Sonnensystem langsamer als vermutet? Welche ominöse zusätzliche Kraft bremst sie ab? Immerhin war diese Frage für die britische Zeitschrift New Scientist eines der dreizehn wichtigsten Probleme der Wissenschaft. Worin des Rätsels Lösung besteht können Sie bei Michael Odenwald nachlesen. Eine ähnliche Perle moderner Wissenschaftsgeschichte ist sein Beitrag über die so genannte Kalte Fusion.
Michael Odenwalds Universum besteht aus vielen Appetitanregern, die Lust auf mehr machen. In der nicht unbedingt wissenschaftlich vorbelasteten Zielgruppe der Focus-Leserschaft macht er beste Werbung für die Naturwissenschaft. Er beschreibt sie als einen dynamischen Prozess, deren Aussagen immer vorläufiger Natur sind. Bei Michael Odenwald wird dies nicht zum Mangel, sondern zum Abenteuer. Dieser Geist durchweht alle seine Beiträge.
Bibliographische Angaben:
Odenwald, Michael "Michael Odenwalds Universum - Antworten auf die Rätsel des Alls" Erschienen 2008, 255 S., gebunden, Verlag: Herbig, ISBN: 9783776625813 Preis: € 17,95
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